Papst bei Gedenkfeier zum 1. Weltkrieg: „Krieg ist Wahnsinn“
„Was geht mich das
an?“ Dieser biblischer Satz von Kain stand im Mittelpunkt der Predigt, die der Papst
in Redipuglia hielt. Mit einem Besuch an der norditalienischen Gedenkstätte erinnerte
Papst Franziskus am Samstagmorgen an die Toten des Ersten Weltkriegs. Zur Messe vor
dem Mahnmal im Nordosten Italiens waren rund 10.000 Besucher gekommen. Zuvor betete
der Papst auf dem nahegelegenen österreichisch-ungarischen Soldatenfriedhof und legte
einen Kranz nieder. Bei seinem rund dreistündigen Besuch wolle er der Opfer aller
Kriege gedenken und gemeinsam mit allen für den Frieden in der heutigen Welt beten,
so Franziskus.
Außerdem gedachte der italienischstämmige Papst auch eigener
Angehöriger, die bei den Kämpfen in der Region fielen. Anwesend waren Vertreter aus
Politik und Kirche der einst verfeindeten Staaten. Es fehlte jedoch der italienische
Ministerpräsident Matteo Renzi. In seiner Predigt sagte Franziskus:
„Nachdem
ich die Schönheit der Landschaft dieser ganzen Gegend betrachtet habe, wo Männer und
Frauen arbeiten und so ihre Familie voranbringen, wo die Kinder spielen und die Alten
träumen…, kann ich nun hier an diesem Ort nur sagen: Der Krieg ist ein Wahnsinn.“
Gott
habe die Menschen berufen, an seinem Werk mitzuarbeiten, so der Papst. Doch Krieg
schaffe nur Zerstörung.
„Er zerstört auch das Schönste, was Gott erschaffen
hat: den Menschen. Der Krieg bringt alles in tiefste Verwirrung, auch die Bande unter
Brüdern. Der Krieg ist wahnsinnig, sein Entwicklungsplan ist die Zerstörung: der Wille,
sich zu entwickeln durch die Zerstörung!“
Krieg entstehe dort, wo es Habgier,
Intoleranz und Machstreben gibt. Häufig würden diese Motive durch eine Ideologie gerechtfertigt;
zuerst aber sei da die Leidenschaft, der verkehrte Antrieb, so der Papst.
„Die
Ideologie ist eine Rechtfertigung, und wenn keine Ideologie vorhanden ist, dann gibt
es die Antwort des Kain: 'Was geht mich das an?', 'Bin ich der Hüter meines Bruders?'
(Gen 4,9). Der Krieg schaut niemandem ins Gesicht: Alte, Kinder, Mütter, Väter… 'Was
geht mich das an?'“
Der Papst wies darauf hin, dass über dem Eingang des
Gedenkfriedhofs das höhnische Motto des Krieges schwebe: „Was geht mich das an?“
„Alle
diese Menschen, deren Gebeine hier ruhen, hatten ihre Pläne, ihre Träume…, doch Ihr
Leben ist zerschlagen worden. Die Menschheit hat gesagt: 'Was geht mich das an?' Auch
heute, nach dem zweiten Scheitern eines weiteren Weltkriegs kann man vielleicht von
einem dritten Krieg reden, der 'in Abschnitten' ausgefochten wird, mit Verbrechen,
Massakern, Zerstörungen… Um ehrlich zu sein, müsste auf den Titelseiten der Tageszeitungen
die Schlagzeile stehen: 'Was geht mich das an?' Kain würde sagen: 'Bin ich der Hüter
meines Bruders?´“
Diese Haltung sei genau das Gegenteil von dem, was Jesus
im Evangelium von den Menschen verlange, so der Papst. Von Redipuglia aus erinnerte
er zusammen mit allen Gläubigen an die Opfer auch der heutigen Kriege.
„Auch
heute gibt es viele Opfer… Wie ist das nur möglich? Es ist möglich, weil es auch heute
hinter den Kulissen Interessen, geopolitische Pläne, Geldgier und Machthunger gibt,
und es gibt die Waffenindustrie, die anscheinend so wichtig ist! Und diese Terrorplaner,
diese Organisatoren der Konfrontation wie auch die Waffenhändler haben in ihr Herz
geschrieben: 'Was geht mich das an?'“
Es sei weise, die Fehler einzugestehen
und um Verzeihung zu bitten und zu weinen.
„Mit jenem 'Was geht mich das
an?', das die Geschäftemacher des Krieges im Herzen haben, verdienen sie vielleicht
viel, aber ihr verdorbenes Herz hat die Fähigkeit zu weinen verloren. Jenes 'Was geht
mich das an?' verhindert das Weinen. Kain hat nicht geweint. Der Schatten Kains liegt
heute über uns, hier auf diesem Friedhof. Hier ist er zu sehen. Er ist sichtbar in
der Geschichte, die von 1914 bis in unsere Tage reicht. Und er ist sichtbar auch in
unseren Tagen.“
Die Weltkriegsgedenkstätte in Fogliano Redipuglia nahe
der Stadt Gorizia, dem früheren Görz, erinnert an die zwölf Schlachten am Fluss Isonzo
sowie an der Piave und der Dolomitenfront 1915 bis 1918.
„Mit dem Herzen
eines Sohnes, eines Bruders, eines Vaters erbitte ich von euch allen und für uns alle
die Umkehr des Herzens: von jenem 'Was geht mich das an?' überzugehen zum Weinen –
um all die Gefallenen des 'unnötigen Blutbads', um alle Opfer des Kriegswahnsinns
zu allen Zeiten. Die Menschheit hat es nötig zu weinen, und dies ist die Stunde der
Tränen.“
Das Monument ist Grabstätte für rund 100.000 italienische Gefallene.
Insgesamt starben bei den Kämpfen zwischen Italien und Österreich-Ungarn Hunderttausende
Soldaten. Der Erste Weltkrieg insgesamt forderte rund 15 Millionen Menschenleben.