Monika Rudolph: Hurenleben. Eine Besprechung von P. Bernd Hagenkord.
Die Formulierungen
von Papst Franziskus erzeugen häufig Kopfkino. Seine Bilder wecken Assoziationen und
ganz konkrete Vorstellungen – auch bei einem seiner Lieblingsworte, den Peripherien.
Wir alle können uns recht gut vorstellen, wo die sind. In der Armut, am Rand der Gesellschaft,
am Rand Europas bei den Flüchtlingen. Es gibt diese Ränder aber auch in unserer Gesellschaft.
Dort sind es meistens Orte, wo wir gar nicht genau hinschauen wollen, zum Beispiel
zur Prostitution. Die politische Debatte in Deutschland beschäftigt sich schon länger
mit der Frage einer Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen. Aber kennen wir die
Menschen an diesem Rand? Man spricht über sie – kennen tut man sie nicht.
Das
ändert Monika Rudolph in ihrem Buch. Sie hat mit acht Prostituierten, weiblich wie
männlich, gesprochen und berichtet aus deren Leben, von ihren Wünschen und Erfahrungen.
Es sind Reportagen geworden über Gespräche und Begegnungen mit Menschen, ohne moralisch
zu urteilen. Hier geht es nicht um die Frage, wie wir mit Prostitution umgehen oder
ob das gut oder schlecht, richtig oder falsch ist. Hier geht es um Kommunikation,
um Erzählen lassen. Die Gespräche sind in direkter Rede wiedergegeben. Sie werden
lebendig, erheben sich dadurch aber auch nie über die Person. Die Autorin verschweigt
auch ihre eigenen Reaktionen nicht, wenn sie etwa von der Hölle erfährt, von der Benedikt
in dem Buch berichtet oder der Konflikt mit Lioba in einem der Gespräche. Wir begegnen
in dem Buch Menschen, denen wir eigentlich lieber nicht begegnen wollen. Schon der
Titel des Buches „Hurenleben“ will bewusst abweisen. Aber weil Monika Rudolph Menschen
ohne zu werten, sprechen lässt, weil Menschen eine Stimme bekommen, die sonst nur
Objekt von Gesprächen sind, ist es ein sehr menschliches Buch geworden. Wir sollen
zu den Peripherien gehen – einen Schritt dahin kann man auch mit Büchern tun, zum
Beispiel mit diesem.
Monika Rudolph: Hurenleben. Prostituierte erzählen. Das
Buch ist im Herder Verlag erschienen und kostet etwa 20 Euro.