Österreich: Religionen beten vor dem "Goldenen Dachl"
2014 ist das Gedenkjahr
der Weltkriege: Vor hundert Jahren, im Jahre 1914, brach der erste Weltkrieg aus,
vor 75 Jahren der Zweite Weltkrieg. Papst Franziskus reist diesen Monat zur italienischen
Weltkriegsgedenkstätte nach Norditalien in Redipuglia, um der vielen Toten zu gedenken.
Dabei besucht er den österreichisch-ungarischen Soldatenfriedhof in Fogliano.
Auch
in Österreich finden in diesen Tagen landesweit Gedenk- und Friedensgebete statt –
und zwar anlässlich des 100. Jahrestages der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an
Serbien am 28. Juli 1914, mit der der Erste Weltkrieg begann. Eine besondere Gebetsinitiative
findet am kommenden Freitag in Innsbruck in Tirol statt: Vertreter unterschiedlicher
Religionen und Kirchen gedenken gemeinsam der Opfer und beten für ein friedliches
Zusammenleben. Bischof Manfred Scheuer, die italienische Basisgemeinschaft Sant’Egidio,
die Fokolarbewegung und Pax Christi haben die Aktion initiiert. Der interreligiöse
Gebetsmoment wird vor dem wichtigsten Innsbrucker Denkmal stattfinden, erzählt uns
Ursula Teissl Mederer, die geistliche Assistentin von Pax Christi Österreich ist:
„Das
ist ein markanter Punkt in der Altstadt von Innsbruck, der sehr viel schon gesehen
hat. An dieser Stelle ist zum Beispiel auch Jakob Hutter auf dem Scheiterhaufen verbrannt
worden. Es ist ein Platz der die Intoleranz gegenüber andersgläubigen und andersdenkenden
Menschen gesehen hat. Es ist bewusst dieser Platz im Herzen der Stadt gewählt worden,
im Getriebe der Altstadt, die im Sommer überfüllt von Menschen aus aller Welt ist,
Menschen jeder Glaubensrichtung oder Nichtglaubenden oder Suchenden. Es ist also in
der Welt ein Gebet der Religionen für den Frieden."
Jakob Hutter, auf welchen
die täuferische Kirche der Hutterer zurückgeht, deren heutige Anhänger in Gütergemeinschaft
nach dem Vorbild der Jerusalemer Urgemeinde vor allem in den USA leben, wurde 1523
zum Feuertod verurteilt und auf diesen Platz vor dem goldenen Dachl am Scheiterhaufen
verbrannt. Am Freitag treffen sich dort Religionsvertreter, um der vielen Toten des
Weltkrieges zu gedenken, der genau von hundert Jahren die sogenannte europäische Urkatastrophe
provozierte.
„Es geht einerseits um das Gedenken an den Ausbruch des Ersten
Weltkriegs vor 100 Jahren und des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren. Angesichts des
aktuellen Aufflammens der Konflikte in so vielen Gebieten heute geht es auch darum
zu bedenken, welche Rolle die Kirche damals gespielt hat, welche Rolle Religionen
spielen könnten, und sollten und müssten. Dass sie nämlich zur Versöhnung aufrufen,
zum Miteinander, zum Vergeben und zum Schuld-Eingestehen und zum Neubeginn. Und zur
Gerechtigkeit, dass Frieden überhaupt möglich wird."
Nacheinander werden
die Religionsvertreter und Gemeinden Gebete sprechen, auch in der jeweiligen Muttersprache,
und aus jeder Gemeinschaft wird ein Kind, als Zeichen der Jugend, in welche die Menschen
ihre Hoffnung setzen, eine Blume in die Mitte des Platzes bringen. Beim Abschlussgebet
werden auch Asylsuchende zu Wort kommen, die in Innsbruck ein neues Zuhause suchen.
Gebetet wird das Friedensgebet von Franz von Assisi.
Der Rückblick auf die
europäische Urkatastrophe des Ersten Weltkrieges, die rund 17 Millionen Menschenleben
kostete, soll eine Brücke zu den heutigen Problemen, Kriegen, Auseinandersetzungen,
Menschenverfolgungen und Folterungen bauen und für Verständnis und Aufklärung sorgen.
Religion solle die Basis für Frieden und Gerechtigkeit sein und nie eine kriegstreibende
Kraft, so die Mitveranstalterin der Gebetsinitiative. An dem Gebet nehme auch die
serbisch orthodoxe Gemeinde teil, sowie bosnische Muslime, die gemeinsam keinen einfachen
„Religionsweg“ hatten, so die geistliche Assistentin von Pax Christi Österreich.