2014-09-04 15:13:26

Bruder Nikodemus Schnabel: Heiliges Land am Scheideweg


RealAudioMP3 Dass die Begegnung zwischen Shimon Peres und Papst Franziskus wieder moderate Kräfte im Heiligen Land mobilisieren kann, hofft Bruder Nikodemus Schnabel von der Dormitio-Abtei der Benediktiner in Jerusalem. Er sagte gegenüber Radio Vatikan:


„Es gab so einen ,Hurrapatriotismus‘, ganz Palästina stand hinter der Hamas und ganz Israel stand hinter dem israelischen Militär bei der Aktion im Gazastreifen. So war der Eindruck. Man hatte das Gefühl es waren zwei geschlossene Blöcke. Aber es gab weiterhin kritische Stimmen auf beiden Seiten. Manche sagten, dass dies Terror sei, dass es unverantwortlich oder unverhältnismäßig sei, auf israelischer Seite wurde die Armee kritisiert. Es gab also Grautöne, die jedoch weder sichtbar noch hörbar waren. Jetzt finde ich es sehr gut, dass man wieder anknüpft an diese positive Stimmung vor der kriegerischen Auseinandersetzung, an die Begegnung in den vatikanischen Gärten von Papst Franziskus, Abbas und Peres. Daran anknüpft, was so gut auf den Weg gebracht wurde, dem anderen zuhören, Mitgefühl haben für das Leid des anderen...usw. Eins ist allen vernünftigen Menschen hier klar, militärisch kommt man nicht zu einem Zukunftsbild voller Hoffnung."


Der aktuelle Moment sei eine entscheidende Phase im Verhältnis Israels und Palästinas. Jetzt werde sich entscheiden, welcher Weg gewählt werde, so der Geistliche. Peres sei der richtige Mann für den friedvollen Weg:

„Peres ist und bleibt der ,Grand Senor‘ der israelischen Politik, der Nobelpreisträger, und alle wichtigen Positionen, die man in Israel besetzen kann, hat er besetzt. Und natürlich wird seine Stimme sehr ernst genommen als eine moralische Stimme. Egal, wo er hingeht und wo er spricht, wird das auch medial verfolgt. Auch die andere Seite Israels tut das, die nicht mehr besteht, die der Hardliner. Israel sagt, jedes Volk, jede Nation hat das Recht, in Sicherheit zu leben. Und natürlich - der Raketenbeschuss war eine Terrorisierung der israelischen Bevölkerung, so gesehen kann man das verstehen, das man grundsätzlich sagt, der Raketenbeschuss musste gestoppt werden. Die Frage ist, auf welche Weise? Auf der anderen Seite steht die palästinensische Sicht, die besagt, dass jedes Volk und jede Nation das Recht hat, in Freiheit zu leben. Und das Besatzungsregime ist menschenunwürdig für Menschen, die in Gaza leben. Ich glaube, beide Anliegen und Ansichten sind legitim und richtig."

Sicherheit für Israel und Freiheit für die Palästinenser - dieses Ziel liegt auch im Ermessen der Weltgemeinschaft. Erreicht wurde dieses Ziel jedoch noch nicht. Der Beschluss des Waffenstillstands war der erste richtige Schritt in Richtung Frieden, der bis jetzt auch wirklich eingehalten wurde, bestätigt Bruder Nikodemus Schnabel. Peres als Ex-Präsident scheint für Bruder Schnabel der richtige Ansprechpartner auch für Papst Franziskus. Die einzige Lösung kann jedoch nur politisch sein, militärisch kommt es zu großen Verlusten auf beiden Seiten. Laut Nikodemus steht das Verhältnis Israels und Palästinas am Scheideweg: Gewinnen nun die Radikalen Stimmen oder die Moderaten? Das werde auch über den Weitergang der Geschichte entscheiden:



„Es gibt die radikalen Stimmen auf beiden Seiten, die auch enttäuscht sind, dass beide Seiten so früh mit Kämpfen aufgehört haben. Und es gibt auch die moderaten Stimmen, die eben sagen, es hätte viel früher aufgehört werden sollen, und jetzt müssen wir an Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung arbeiten. Wenn jetzt auf beiden Seiten die Radikalen Oberwasser bekommen und sich durchsetzen, dann kann es sein, dass der Krieg wieder aufflammt, aber das hoffe ich nicht und dafür beten wir auch, dass es jetzt zu Gerechtigkeit und Versöhnung kommt. Denn es wurden so viele Wunden aufgerissen, die werden Jahre brauchen, bis sie verheilt sind."



Eine besonders umstrittene israelische Regierungsentscheidung war die Verstaatlichung von 400 Hektar Land im Westjordanland. Diese Verstaatlichung sei laut Pater Nikodemus ein Risiko für die Konfliktlösung, ein Schlag ins Gesicht nicht nur für die palästinensische Regierung und Mahmoud Abbas:



„Das ist natürlich tatsächlich ein Schlag ins Gesicht auch der internationalen Öffentlichkeit, die sich auch bemüht, diesen Waffenstillstand in einen echten Frieden auszubauen, natürlich auch für den Wiederaufbau von Gaza, und anderseits gibt es auch den wirtschaftlichen Verlust der israelischen Seite. Das ist alles sehr wenig hilfreich, wenn Israel eine trotzige 'jetzt aber gerade'-Politik macht, in der der Siedlungsbau in dieser sehr aggressiven Weise auch über Landenteignung vorangebracht wird."



Die Privataudienzen der beiden Gäste aus Nahost beim Papst fanden an diesem Donnerstag unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. In einem Interview mit der italienischen Zeitung "Famiglia Cristiana" sagte Peres, dass es an der Zeit sei, eine „UN der Religionen“ zu gründen, um gemeinsam gegen den Terrorismus zu kämpfen.

(rv 04.09.2014 no)








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