Kardinal Vegliò: „Wie kann ein denkendes Hirn so etwas sagen?“
Der Vatikan drängt
auf mehr Solidarität gegenüber Kriegsflüchtlingen in Europa. Er wünsche sich eine
Aufnahme irakischer Flüchtlinge in den reicheren Nationen der Staatengemeinschaft
wie etwa Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien, bekräftigte der Präsident
des Päpstlichen Rates für die Migrantenseelsorge an diesem Donnerstag. Er äußerte
sich nach einem Treffen mit Papst Franziskus im Interview mit Radio Vatikan. Antonio
Maria Vegliò fand dabei deutliche Worte:
„Angesichts der Dramen, die diese
Menschen erleben, kann ich nicht verstehen, wenn jemand sagt: Schicken wir sie in
ihr Land zurück. Ein Hirn, das denkt – wie kann es so etwas sagen? Jemandem, der aus
einem Land geflohen ist, in dem er umgebracht werden soll, zu sagen: Kehre in dein
Land zurück! Da fehlt nicht nur die Menschlichkeit, sondern auch die Intelligenz.“
Ein
klarer Seitenhieb auf Positionen, die sich in der laufenden Debatte strikt gegen eine
größere Aufnahme von Flüchtlingen wenden – trotz der lebensbedrohlichen Lage in gleich
mehreren Ländern wie dem Irak, Syrien und Libyen. Insgesamt unternähmen die internationale
Gemeinschaft und Europa „sehr wenig“, findet der Kardinal:
„Meiner Meinung
nach müsste Europa mehr Sensibilität haben. Leider haben wir so viele Probleme, egoistisch
gesagt: Man denkt nur an sich und nicht an die anderen. Wenn wir aber an unsere Probleme
in Italien denken – die Wirtschaft geht nicht gut, viele haben keine Arbeit – sind
diese Probleme doch relativ klein im Vergleich zu denen des irakischen Volkes, das
flieht, um nicht ausgelöscht zu werden.“
Kardinal Vegliò hofft dagegen,
dass das Beispiel der Kirche, die sich für bedingungslose Solidarität und die Aufnahme
Schutzbedürftiger stark macht, in Europa Schule macht.
Frontex plus
soll helfen Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die EU Italien mit der
Operation „Frontex Plus“ bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeerraum unterstützen
will. „Die Euro-Solidarität muss nun in konkrete Aktionen umgewandelt werden“, sagte
EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström nach einem Treffen mit dem italienischen Innenminister
Angelino Alfano in Brüssel. Italien dürfe mit den Flüchtlingsdramen vor seiner Küste
nicht alleingelassen werden. Das denkt auch Kardinal Vegliò:
„Es ist ein
Drama – denn man kann nicht denken, dass ein Land wie Italien alles allein lösen kann.
Und ich bin zufrieden, dass in Europa das Problem ein wenig erkannt wurde mit ,Mare
Nostrum‘ und nun ,Frontex plus‘. Wir arbeiten, wo wir können, und hoffen, dass die
Leute diesen Problemen sensibel gegenüber sind.“
Dank der von der italienischen
Regierung ins Leben gerufenen Rettungsaktion „Mare Nostrum“ konnten im vergangenen
Jahr tausende von Bootsflüchtlingen auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet
werden. Das Land hatte jedoch zuletzt angekündigt, die Mission solle aus Kostengründen
eingestellt werden. Dennoch sind laut Angaben des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge
in diesem Jahr bereits über 1.800 Menschen auf dem Mittelmeer verschwunden, 1.600
allein seit Juni. Der Ausgangpunkt für diese gefährlichen Überfahrten nach Europa
sei zumeist Libyen, so das UNHCR. Die Flüchtlingswelle aus dem Irak sei in der Tat
nur „die Spitze des Eisberges“, so der Präsident des Päpstlichen Migrantenrates.