Vatikan: Anklageschrift gegen islamistischen Terror im Irak
Die Vatikanbehörde, die für den Dialog mit den Muslimen zuständig ist, hat sich erstmals
zur Errichtung des „Kalifates“ durch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ geäußert.
Mit äußerster Entschiedenheit weist der von Kardinal Jean-Louis Tauran geleitete Päpstliche
Rat für den interreligiösen Dialog die Praktiken des „Islamischen Staates“ zurück.
Auch muslimische Religionsführer sollten klar und mutig die „unsäglichen Verbrechen“
der Dschihadisten verurteilen, heißt es aus dem Vatikan.
Die Erklärung des
Dialogrates, die an diesem Dienstag veröffentlich wurde, listet zahlreiche und „unsägliche
kriminelle Handlungen“ durch die Dschihadisten des „Islamischen Staates“ auf: Massaker
an Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, die „grauenhafte Praxis der Enthauptung,
der Kreuzigung und des Aufhängens von Leichen an öffentlichen Plätzen“, die erzwungene
Wahl für Christen und Jesiden, zu konvertieren, eine bestimmte Steuer zu zahlen oder
zu flüchten; die Vertreibung „zehntausender Menschen“, darunter Kinder, Alte, Schwangere
und Kranke; die Entführung christlicher und jesidischer Frauen und Mädchen „als Kriegsbeute“;
die Auferlegung der „barbarischen Praxis“ der Genitalverstümmelung an Mädchen; die
Zerstörung christlicher und muslimischer Kultorte; die Besetzung und Entweihung von
Kirchen und Klöstern; die Zerstörung christlicher und anderer religiöser Symbole;
und schließlich die „niederträchtige Gewalt mit dem Ziel, die Menschen zu terrorisieren
und sie zu zwingen, sich auszuliefern oder zu flüchten“.
„Kein Grund“, erst
recht kein religiöser, könne „eine solche Barbarei rechtfertigen“, heißt es weiter
in der ungewöhnlich deutlich formulierten Mitteilung aus dem Vatikan. Christen und
Muslime hätten über Jahrhunderte nebeneinander gelebt, „mit Höhen und Tiefen“, aber
sie hätten eine Zivilisation geschafften, „auf die sie stolz sind“. Auf dieser Grundlage
habe sich nicht zuletzt der christlich-muslimische Dialog in den vergangenen Jahren
entwickelt.
Angesichts der dramatischen Lage der Christen, Jesiden und anderen
Religionsgemeinschaften im Irak brauche es eine einstimmige Verurteilung der Vorgänge
im „Kalifat“, heißt es in der Mitteilung aus dem Vatikan weiter. Religionsvertreter,
„besonders muslimische“, Exponenten des interreligiösen Dialogs und „alle Menschen
guten Willens“ müssten „einmütig und ohne Zweideutigkeiten“ die Verbrechen der islamistischen
Terrorgruppe im Irak verurteilen und ihre Berufung auf religiöse Motive zurückweisen.
Auf dem Spiel stehe geradewegs die Glaubwürdigkeit der Religionen, ihrer Anhänger
und ihrer Oberhäupter. Der Vatikan verweist auch darauf, dass die Mehrheit der islamischen
Institutionen in Religion und Politik die Wiedererrichtung des Kalifats durch die
Dschihadisten der Organisation „Islamischer Staat" ablehne.
Die Religionsvertreter
müssten auch ihren Einfluss bei den Regierungen geltend machen, damit die Verbrechen
aufhören, die Täter bestraft werden und ein Rechtsstaat in dem Krisengebiet entstehe,
damit die Vertriebenen zurückkehren können. Auch einen neuerlichen Appell gegen den
Waffenhandel beinhaltet die Erklärung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen
Dialog: „Die religiösen Führer werden nicht verabsäumen zu unterstreichen, dass die
Unterstützung, Finanzierung und Bewaffnung des Terrorismus moralisch verwerflich sind.“
Die Erklärung endet mit dem Appell von Papst Franziskus von Ende Juli: „Der Gott des
Friedens erwecke in allen ein echtes Verlangen nach Dialog und Versöhnung. Gewalt
besiegt man nie mit Gewalt. Gewalt besiegt man mit dem Frieden!“