Und wieder ist die
Waffenruhe zwischen Israel und Gaza gescheitert. Noch vor Ablauf der 72-Stunden-Frist
feuerten radikale Palästinenser rund 20 Raketen auf Israel, eine wurde über Aschkelon
abgefangen. Israel reagierte kurz darauf und startete neue Luftangriffe auf den Gazastreifen.
Unklar ist, ob damit die Verhandlungen in Kairo bereits gescheitert sind. Die anhaltenden
Kämpfe im Gazastreifen haben schwere Auswirkungen für Israel und die dort wohnenden
Menschen. Zu ihnen gehört Pater Nikodemus Schnabel.
Der 35jährige Benediktiner
aus der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg in Jerusalem braucht sich zurzeit kaum noch
um Pilger kümmern. Dafür muss er immer wieder in den Luftschutzkeller. Pater Nikodemus
Schnabel war soeben in Deutschland und hat auch das Münchner Kirchenradio besucht.
In
den vergangenen Wochen mussten Pater Nikodemus Schnabel und seine Mitbrüder vier Mal
alle in den Keller. Hamas-Raketen flogen über Jerusalem. Ihre Ziele lagen freilich
ganz woanders und sie wurden vorher abgefangen. Vor den Raketen hat Pater Nikodemus
am wenigsten Angst: „Auch der verwirrteste Terrorist würde keine Rakete nach Jerusalem
schicken“. Denn diese Stadt ist ein Heiligtum für alle Konfliktparteien. Die Militärschläge
gegen den Gazastreifen bekommt das Kloster trotzdem zu spüren. Während des gesamten
Augusts sind die Pilgermessen gestrichen, die Cafeteria und der Klosterladen fast
leer. Die Dormitio-Abtei merkt deutlich, dass Wallfahrer und Touristen das Heilige
Land meiden und bekommt das finanziell schwer zu spüren: „2014 wird ein bitteres Jahr
für uns im Kloster, da sind wir in einer Schicksalsgemeinschaft auch mit den anderen
Händlern und kirchlichen Einrichtungen in Jerusalem.“
Keine Visionen
für die Region Pater Nikodemus hat bereits die Nahost-Auseinandersetzungen
2003, 2008 und 2012 in der Stadt erlebt. Dass sich die Konfliktmuster nicht ändern,
macht ihm viel mehr Sorgen als die Hamas-Raketen: „Wir haben vier Runden mit unglaublichem
Blutvergießen, Zerstörungen unglaublich vielen psychischen Traumatisierungen hinter
uns und letztendlich steht man immer wieder am Anfang.“ Keine der beiden Seiten habe
ihr Ziel erreicht: Israel muss weiter mit Raketendrohungen leben und die Hamas hat
es nicht geschafft, die Blockade des Gaza-Streifens zu sprengen. „Was beide Seiten
benötigen, ist eine Vision für die Region. Und eins ist absolut sicher – militärisch
gibt es keine Lösung, sondern höchstens wieder einen Aufschub für zwei bis drei Jahre.“
Vor allem die christlichen Minderheiten in der Region stehen dabei zwischen allen
Seiten: den Palästinensern gelten sie als fünfte Kolonne des Westens, radikale Israelis
halten sie für einen Unsicherheitsfaktor und Fremdkörper, wenn es um die staatliche
Einheit geht.
Lackmustest für die eigene Berufung Vor dem
jüngsten Gazakonflikt hatte sich das sogar zugespitzt. Dass Pater Nikodemus und seine
Mitbrüder auf offener Straße angespuckt und angepöbelt wurden, gehörte schon fast
zum Alltag. Radikale israelische Jugendliche randalierten in Klöstern und Kirchen,
Ende Mai kam es sogar zu einem Brandschlag auf die Dormitio-Abtei. Die Übergriffe
seien jetzt stark zurückgegangen, so Pater Nikodemus: „Zynisch gesagt, gibt es zurzeit
wohl wichtigere Dinge für diese Leute.“ Die Abtei und Jerusalem zu verlassen, kommt
für ihn aber keinesfalls in Frage: „Es ist eine Art Lackmustest für die eigene Berufung.
Mönch oder Christ im Heiligen Land zu sein, kostet etwas. Das ist keine Kaffeefahrt.“
Der Benediktiner will für seinen Glauben Rede und Antwort stehen, auch wenn er dafür
Anfeindungen in Kauf nehmen muss. Gegen eine depressive Stimmung helfe ihm die „unglaubliche
Solidarität von moderaten Kräften. Ich glaube, unser Kloster hatte noch nie so viel
Rabbiner als Freunde.“ Das gibt Pater Nikodemus auch Hoffnung für das ganze Heilige
Land: Das sich besonnene Kräfte, den Radikalen in den eigenen Reihen entgegenstellen.