Vatikan: Historiker über Diplomatie im Ersten Weltkrieg
Vor einhundert Jahren
brach der Erste Weltkrieg aus. In vielen Veranstaltungen an vielen Orten auf der ganzen
Welt wird in diesen Tagen der Opfer des Weltkrieges gedacht. Als der österreichisch-ungarische
Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajewo ermordet wurde, war Pius X. Papst in Rom.
Er starb am 20. August des gleichen Jahres an einem, wie man bis heute sagt, wegen
des Krieges gebrochenen Herzen. Ihm folgte Benedikt XV. nach, ein Papst, der sich
in der internationalen Diplomatie bestens auskannte. John Pollard ist Professor für
Geschichte und Autor des englischen Buches „Benedict XV. The Unknown Pope and the
Pursuit of Peace“. Über die Interessen des Vatikans in der Zeit des Ersten Weltkrieges
sagte Pollard gegenüber Radio Vatikan:
„Grundsätzlich sah sich der Vatikan
in der Verpflichtung, die Machtverhältnisse vor Ausbruch des Krieges zu sichern, um
so das Gleichgewicht zwischen dem katholischen Österreich-Ungarn auf der einen Seite
und dem protestantisch geprägten Deutschland auf der anderen zu erhalten. Es ging
dem Vatikan aber auch um das Gleichgewicht zwischen Österreich-Ungarn und Russland,
dem orthodoxen Staat. Es gab eine gewisse Paranoia vor der Orthodoxie. Über die ganze
Zeit des Totalitarismus hinweg wurde die Orthodoxie als eine Bedrohung gesehen.“
Die Diplomatie des Heiligen Stuhls ist bekannt für ihre Wirksamkeit. Während
des Ersten Weltkriegs wurde zunehmend auch die Telekommunikation genutzt, um diplomatische
Ziele zu erreichen, sagt Professor Pollard:
„Der Vatikan verfügte über
Telegrafen und kommunizierte über schriftliche Noten, die die Vertreter des Vatikans
überbrachten. Man erreichte auch die Nationen, zu denen der Vatikan keine diplomatischen
Beziehungen unterhielt. Der Vatikan kommunizierte auch mit Präsident Wilson in den
USA und versuchte ihn mit Nachdruck zu überzeugen, dass Amerika nicht in den Krieg
eintritt.“