Österreich: „Antisemitische Übergriffe fallen nicht vom Himmel“
„Antisemitische
Übergriffe fallen nicht vom Himmel sondern gedeihen auf einem bestimmten Boden.“ Das
hat der Präsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit
in Österreich, Martin Jäggle, im Hinblick auf die Vorfälle beim Fußballspiel zwischen
dem französischen Klub OSC Lille und dem israelischen Verein Maccabi Haifa im österreichischen
Bischofshofen betont. Das Match war am Mittwoch in der 85. Minute abgebrochen worden,
nachdem Zuschauer mit palästinensischen Flaggen auf das Feld gestürmt waren und Spieler
von Haifa attackierten. Politiker aller Parteien und zahlreiche Organisationen hatten
die Vorfälle kritisiert.
Die öffentliche Betroffenheit über die Vorfälle sei
verständlich, zugleich seien die Vorfälle aber auch nicht verwunderlich in einer Gesellschaft,
in der antisemitische Äußerungen in der Öffentlichkeit toleriert bzw. verharmlost
würden, so Jäggle im „Kathpress“-Gespräch. All jene, die sich nach Bischofshofen schockiert
zeigten, hätten schon davor das Wort erheben und jede antisemitische Tendenz verurteilen
müssen. Als beispielhaft hob Jäggle in diesem Zusammenhang Außenminister Sebastian
Kurz hervor. Nachdem dieser auf seiner Facebook-Seite am vergangenen Mittwoch einen
Friedensappell zum Nahost-Konflikt gepostet hatte und daraufhin Dutzende User mit
antisemitischen Kommentaren reagierten, schaltet Kurz die Staatsanwaltschaft ein.
Verständnis
zeigte Jäggle für die Ängste der Israelitischen Kultusgemeinde, die nach Bischofshofen
vor einem zunehmenden Antisemitismus in Österreich gewarnt hat. „Die Aktionen gefährlicher,
rassistischer Palästinenserfreunde gegen eine in Österreich trainierende israelische
Fußballmannschaft mit jüdischen und muslimischen Spielern in Bischofshofen haben gezeigt,
dass alle roten Linien, die demokratische Meinungsäußerung von Hetze trennen, längst
überschritten sind“, hielt Oskar Deutsch, Präsident des Bundesverbandes der israelitischen
Kultusgemeinden, in einer Aussendung fest. Jäggle sprach von „höchst berechtigten
Ängsten“.
Im Hinblick auf den Gaza-Konflikt, den unmittelbaren Auslöser für
die Übergriffe in Bischofshofen, meinte Jäggle, dass für jeden Staat und jede Demokratie,
und damit natürlich auch für Israel, Kritik nötig sei. „Wenn das Existenz- und Verteidigungsrecht
Israels in Frage gestellt wird in einer unqualifizierten Form, dann ist das aber eben
nicht mehr eine sogenannte 'berechtigte' Kritik an Israel, sondern auch antisemitisch.“
Der
Gaza-Konflikt sei militärisch nicht lösbar. Ein politischer Konflikt könne nur politisch
gelöst werden. Appelle zur Einstellung der Kampfhandlungen müssten stets an beide
Konfliktparteien gerichtet sein, alles andere wäre eine unberechtigte Parteinahme.
Jäggle verwies zudem auf jüngste Aussagen von Erzbischof Silvano Tomasi, Vatikan-Vertreter
bei der UNO in Genf. Dieser hatte u.a. an die Medien appelliert, über die Vorkommnisse
sachlich zu berichten. Dem sei wenig hinzuzufügen, so Jäggle.
Der Präsident
der Koordinierungsausschusses verwies auf Papst Franziskus und seine wiederholten
Aufrufe zum Gebet und Dialog im Nahen Osten. Vor allem auch sein jüngster Besuch in
Jordanien, Palästina und Israel sei wichtiges Hoffnungszeichen, „das noch lange nicht
erloschen ist“.