D: „Bei Christenverfolgung geht es uns zu sehr um uns“
Ob Irak, Pakistan,
Nigeria oder andere Länder: Die Christenverfolgung steht nicht im Brennpunkt der Aufmerksamkeit.
Andere Krisen bekommen in der Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit, auch unter Christen
ist das so. Initiativen, mehr Interesse und Einsatz bei Christen in Mitteleuropa für
die bedrängten und verfolgten Christen im Nahen und Mittleren Osten zu wecken, haben
aber bislang nur mäßigen Erfolg. Das beklagt der Weltkirchenbeauftragte der deutschen
Bischofskonferenz, der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, gegenüber Radio Vatikan.
Er nennt es einen Deutschen und zentraleuropäischen „Egozentrismus“, die Christen
seien zu sehr auf sich selbst konzentriert.
„Das Problembewusstsein ist
nicht groß genug, zum Beispiel wenn Flüchtlingsströme kommen und der Heilige Vater
uns mit seinem Besuch in Süditalien darauf aufmerksam macht, dann spüren wir Bedrohung
bei uns. Es geht uns zu sehr um uns. Als Christen müssten wir eigentlich wirklich
‚katholisch‘ sein, gerade was Menschenrechte und die Situation der Christen angeht
mehr tun.“
Das war einmal anders, in den 70er und 80er Jahren war es völlig
normal, sich als Christen für Latein- und Mittelamerika einzusetzen. Was hat sich
da geändert?
„Damals war der Horizont weiter als er heute ist. Das ist
eigentlich sehr schade, gerade wir Deutschen haben mit unserem Außenhandelsvolumen
eine gute Position in der Welt, wir könnten da viel mehr bewirken. Aber wissen Sie,
wenn ich Deutschland betrachte und dann die anderen europäischen Staaten und die EU,
dann sage ich, dass in Deutschland noch mehr für verfolgte und bedrängte Christen
und für Menschen in Notsituationen in Afrika, Asien, im Nahen und Fernen Osten getan
als in anderen Staaten. Das darf uns aber nicht nachlässig machen; wir müssen da mehr
fordern und wir müssen uns mehr einsetzen.“
Wir hören Nachrichten, dass
Klöster, die es seit 1.700 Jahren gibt, von Islamisten besetzt werden und dass Christen
aus Mossul vertrieben werden, wo es seit dem Beginn des Christentums Christen gegeben
hat, diese Geschichte ist zu Ende. Aber es scheint, dass es irgendwie nicht unsere
Geschichte ist und dass wir nicht wirklich beteiligt sind.
„Das ist auch
unser verkürzter Geschichtsverstand, dass wir Iran und Irak auch als christliche Mutterländer
sehen, das ist bei uns zu weit entrückt. Wir müssten hier viel mehr für die Bildung
tun, damit junge Menschen bei uns diese langen christlichen Zusammenhänge besser kennen
lernen. Denn ohne ein gesundes Traditionsbewusstsein gibt es auch kein Zukunftsbewusstsein
und damit auch kein Einsatz für die Zukunft. Wichtig wäre aber auch, dass einmal
von namhaften Vertretern des Islam für die Christen gekämpft würde. Ich frage mich
immer mal, warum es keine Fatwa, die sagt, dass es nicht sein kann, unschuldige Menschen
und Christen zu verfolgen und zu töten. Es gibt ja auch Suren im Koran, die das eigentlich
verbieten. Da wünsche ich mir auch von islamischer Seite mehr.“
Papst Franziskus
hat von der „Ökumene des Leidens“ gesprochen als Fundament für das gemeinsame Eintreten
gegen die Christenverfolgung, was müssen wir tun, um diese „Ökumene des Leidens" auch
bei uns ankommen zu lassen?
„Leiden heißt im griechischen ja ‚sympathein‘;
wir müssten als erstes Interesse für diese Christen im Irak, im Gazastreifen, in Palästina
und Israel finden. Auch in Indonesien und Pakistan ist die Situation ja ähnlich, oder
im Sudan oder in Nigeria. Erstens also wirklich das Interesse. Das zweite ist dann,
dass man wirklich innerlich mitleidet und das dritte ist dann, dass man intensiv betet.
Und dazu gehört für Christen natürlich auch, dass man alle politischen Möglichkeiten,
die wir haben, einsetzt damit man Verantwortliche, die etwas dagegen tun können, auch
zum Handeln bringt. Es muss auch einen größeren Druck auf die Staaten geben, auf den
Irak, auf die Staaten in Afrika, auf Israel und Palästina, dass sie die Christen mehr
schützen.“