2014-07-22 09:37:00

Caritas-Österreich zu Besuch im Libanon: Es droht humanitäre Katastrophe


RealAudioMP3 Libanon ist mit der Bewältigung der syrischen Flüchtlingskrise völlig überfordert und am Ende seiner Kapazitäten. Das sagte Österreichs Caritaspräsident Michael Landau bei einer Reise in den Nahen Osten der Agentur Kathpress. Er besuchte eine Reihe von syrischen Flüchtlingslagern und Flüchtlingszentren im Zentral- und Nordlibanon, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Die Situation der syrischen Flüchtlinge sei zum Teil unbeschreiblich, so Landau. Betroffen mache vor allem die Perspektivenlosigkeit der Kinder. Die Caritas Libanon versucht mit Unterstützung der Caritas Österreich, die größte Not zu lindern.

Landau sprach vom größten Flüchtlingsdrama in der Geschichte des Libanon. Das kleine Land habe vier Millionen Einwohner und müsse mit bis zu zwei Millionen syrischen Flüchtlingen leben. Knapp 1,2 Millionen Syrer seien offiziell als Flüchtlinge im Land registriert, die Dunkelziffer liege aber weit höher. Täglich kommen 2.500 Menschen neu hinzu.

Die internationale Gemeinschaft müsse helfen, um eine Katastrophe zu verhindern, warnte Landau, sei das Land doch inzwischen jenes mit der weltweit höchsten Zahl an Flüchtlingen in Relation zur Bevölkerungszahl. Landau: „Würde es Österreich alleine schaffen, wenn wir plötzlich zwei Millionen Flüchtlinge aufnehmen müssten?“

Lebensbedingungen desaströs
Der seit Jahren andauernde Flüchtlingsansturm habe dramatische Auswirkungen auf alle Lebensbereiche des Landes, erläuterte der Caritaspräsident. Die Wirtschaftsleistung gehe deutlich zurück, die Inflation steige, ebenso die Armutsrate, Wohnungsmieten hätten sich etwa um bis zu 400 Prozent erhöht. Die Infrastruktur des Landes habe schon für die eigene Bevölkerung nicht ausgereicht und sei jetzt völlig am Ende. Es gebe weder genügend Wasser noch Strom oder eine ausreichende Müllentsorgung; auch nicht genug medizinische Versorgung oder Schulen für die vielen Flüchtlingskinder. Zudem habe die Krise auch viele Libanesen bereits in die Verelendung geführt.

Im ganzen Land gibt es rund 1.200 informelle Zeltlager. Wer von den Flüchtlingen nicht in einem schäbigen Zelt lebt, hat in einem Abbruchhaus, einer Garage oder einem Keller Zuflucht gefunden. 50 Prozent aller Flüchtlinge sind Kinder, nur wenige können die Schule besuchen. Die Hälfte aller Flüchtlinge hat auch keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Viele Flüchtlinge sind traumatisiert, zum einen wegen der Vorkommnisse in ihrem Herkunftsland, zum anderen aufgrund der jetzigen Lebensbedingungen im Libanon.

Mehr Hilfe nötig
Die Caritas Österreich hat seit Ausbruch des Konflikts 2011 knapp fünf Millionen Euro für Syrien-Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien zur Verfügung gestellt. Damit konnten bisher rund 70.000 Menschen erreicht werden, viele davon Kinder. Geholfen werde mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Decken, Matratzen, Winterkleidung, medizinischer Hilfe sowie der Reparatur von Notunterkünften. Landau überzeugte sich selbst vor Ort, dass die Hilfe ankommt. Er wolle sich damit aber nicht zufrieden geben. Für 2014 habe sich die Caritas vorgenommen, mindestens 30.000 Kinder mit ihren Hilfsmaßnahmen zu erreichen, so der Caritaspräsident.

Wenn rasch geholfen wird, dann hätten die Kinder in den Flüchtlingslagern noch eine Zukunft, zeigte sich Landau überzeugt: „Und jeder einzelnen Österreicher kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.“

Menschenrechte wichtiger als Grenzschutz
Positiv hob Caritaspräsident Landau hervor, dass der Libanon trotz der dramatischen Situation die Grenze zu Syrien offen hält. „Wenn das der Libanon kann, dann muss auch Europa die Grenzen offen halten“, appellierte Landau an die Solidarität der europäischen Staaten. Der Grenzschutz dürfe nicht wichtiger sein als die Achtung der Menschenrechte. Es brauche endlich ein gemeinsames europäisches Asylsystem, so Landau; mit gleichwertiger Behandlung der Asylsuchenden in allen Ländern und einer gerechten Aufteilung der Last auf alle. Davon sei in der Realität freilich wenig zu bemerken. Landau kritisierte zudem, dass immer wieder Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen abgeschoben würden, ohne Möglichkeit zu erhalten, einen Asylantrag zu stellen.

Der Caritaspräsident forderte die österreichische Regierung einmal mehr auf, den Auslandshilfekatastrophenfonds rasch aufzustocken und die Pläne einer drastischen Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit 2015 wieder fallen zu lassen.

Mehr als neun Millionen Menschen mussten bisher aufgrund des Bürgerkriegs in Syrien flüchten. Knapp drei Millionen davon ins Ausland, mehr als sechs Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Die Hilfe für die Syrien-Flüchtlinge ist ein Schwerpunkt der diesjährigen Hungerkampagne (Auslandshilfe-Kampagne) der Caritas über die Sommermonate.

(kap 22.07.2017 mg)








All the contents on this site are copyrighted ©.