Caritas-Österreich zu Besuch im Libanon: Es droht humanitäre Katastrophe
Libanon ist mit der
Bewältigung der syrischen Flüchtlingskrise völlig überfordert und am Ende seiner Kapazitäten.
Das sagte Österreichs Caritaspräsident Michael Landau bei einer Reise in den Nahen
Osten der Agentur Kathpress. Er besuchte eine Reihe von syrischen Flüchtlingslagern
und Flüchtlingszentren im Zentral- und Nordlibanon, um sich vor Ort ein Bild von der
Lage zu machen. Die Situation der syrischen Flüchtlinge sei zum Teil unbeschreiblich,
so Landau. Betroffen mache vor allem die Perspektivenlosigkeit der Kinder. Die Caritas
Libanon versucht mit Unterstützung der Caritas Österreich, die größte Not zu lindern.
Landau
sprach vom größten Flüchtlingsdrama in der Geschichte des Libanon. Das kleine Land
habe vier Millionen Einwohner und müsse mit bis zu zwei Millionen syrischen Flüchtlingen
leben. Knapp 1,2 Millionen Syrer seien offiziell als Flüchtlinge im Land registriert,
die Dunkelziffer liege aber weit höher. Täglich kommen 2.500 Menschen neu hinzu.
Die
internationale Gemeinschaft müsse helfen, um eine Katastrophe zu verhindern, warnte
Landau, sei das Land doch inzwischen jenes mit der weltweit höchsten Zahl an Flüchtlingen
in Relation zur Bevölkerungszahl. Landau: „Würde es Österreich alleine schaffen, wenn
wir plötzlich zwei Millionen Flüchtlinge aufnehmen müssten?“
Lebensbedingungen
desaströs Der seit Jahren andauernde Flüchtlingsansturm habe dramatische
Auswirkungen auf alle Lebensbereiche des Landes, erläuterte der Caritaspräsident.
Die Wirtschaftsleistung gehe deutlich zurück, die Inflation steige, ebenso die Armutsrate,
Wohnungsmieten hätten sich etwa um bis zu 400 Prozent erhöht. Die Infrastruktur des
Landes habe schon für die eigene Bevölkerung nicht ausgereicht und sei jetzt völlig
am Ende. Es gebe weder genügend Wasser noch Strom oder eine ausreichende Müllentsorgung;
auch nicht genug medizinische Versorgung oder Schulen für die vielen Flüchtlingskinder.
Zudem habe die Krise auch viele Libanesen bereits in die Verelendung geführt.
Im
ganzen Land gibt es rund 1.200 informelle Zeltlager. Wer von den Flüchtlingen nicht
in einem schäbigen Zelt lebt, hat in einem Abbruchhaus, einer Garage oder einem Keller
Zuflucht gefunden. 50 Prozent aller Flüchtlinge sind Kinder, nur wenige können die
Schule besuchen. Die Hälfte aller Flüchtlinge hat auch keinen Zugang zu medizinischer
Versorgung. Viele Flüchtlinge sind traumatisiert, zum einen wegen der Vorkommnisse
in ihrem Herkunftsland, zum anderen aufgrund der jetzigen Lebensbedingungen im Libanon.
Mehr
Hilfe nötig Die Caritas Österreich hat seit Ausbruch des Konflikts 2011
knapp fünf Millionen Euro für Syrien-Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien zur Verfügung
gestellt. Damit konnten bisher rund 70.000 Menschen erreicht werden, viele davon Kinder.
Geholfen werde mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Decken, Matratzen, Winterkleidung,
medizinischer Hilfe sowie der Reparatur von Notunterkünften. Landau überzeugte sich
selbst vor Ort, dass die Hilfe ankommt. Er wolle sich damit aber nicht zufrieden geben.
Für 2014 habe sich die Caritas vorgenommen, mindestens 30.000 Kinder mit ihren Hilfsmaßnahmen
zu erreichen, so der Caritaspräsident.
Wenn rasch geholfen wird, dann hätten
die Kinder in den Flüchtlingslagern noch eine Zukunft, zeigte sich Landau überzeugt:
„Und jeder einzelnen Österreicher kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.“
Menschenrechte
wichtiger als Grenzschutz Positiv hob Caritaspräsident Landau hervor, dass
der Libanon trotz der dramatischen Situation die Grenze zu Syrien offen hält. „Wenn
das der Libanon kann, dann muss auch Europa die Grenzen offen halten“, appellierte
Landau an die Solidarität der europäischen Staaten. Der Grenzschutz dürfe nicht wichtiger
sein als die Achtung der Menschenrechte. Es brauche endlich ein gemeinsames europäisches
Asylsystem, so Landau; mit gleichwertiger Behandlung der Asylsuchenden in allen Ländern
und einer gerechten Aufteilung der Last auf alle. Davon sei in der Realität freilich
wenig zu bemerken. Landau kritisierte zudem, dass immer wieder Flüchtlinge an den
europäischen Außengrenzen abgeschoben würden, ohne Möglichkeit zu erhalten, einen
Asylantrag zu stellen.
Der Caritaspräsident forderte die österreichische Regierung
einmal mehr auf, den Auslandshilfekatastrophenfonds rasch aufzustocken und die Pläne
einer drastischen Kürzung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit 2015 wieder
fallen zu lassen.
Mehr als neun Millionen Menschen mussten bisher aufgrund
des Bürgerkriegs in Syrien flüchten. Knapp drei Millionen davon ins Ausland, mehr
als sechs Millionen sind innerhalb Syriens auf der Flucht. Die Hilfe für die Syrien-Flüchtlinge
ist ein Schwerpunkt der diesjährigen Hungerkampagne (Auslandshilfe-Kampagne) der Caritas
über die Sommermonate.