Neues Papst-„Interview“ von Scalfari: Krise der Familie, Pädophilie und Mafia
Am Sonntag hat die
italienische Zeitung „Repubblica“ einen Artikel des Gründers Eugenio Scalfari über
ein Gespräch mit Papst Franziskus abgedruckt. In dem Beitrag geht es um die Krise
der Familie, um Pädophilie und das Verhältnis der Kirche zur Mafia. Das „Interview“
fand am vergangenen Donnerstag in Santa Marta statt, ist aber – wie schon bei vorgehenden
Interviews – nur aus dem Gedächtnis des 90-jährigen Journalisten rekonstruiert. Vatikansprecher
Federico Lombardi betonte, dass die „Zitate“ nicht als authentisch gelten könnten,
da sie nicht autorisiert worden sind. Dies gelte insbesondere für die Aussagen zum
Thema Zölibat und Fällen von Pädophilie unter Kardinälen, die eine tendenziöse Berichterstattung
erkennen ließen. Wie auch beim Interview im Oktober vergangenen Jahres setze Scalfari
Aussagen des Papstes in Anführungszeichen und mache sie so als direkte Zitate kenntlich,
obwohl er keine Aufzeichnungen gemacht habe. Ausdrücklich weist Lombardi gegenüber
Radio Vatikan auf eine Merkwürdigkeit hin: Bei einigen Zitaten würden zwar die Anführungszeichen
zu Beginn gesetzt, dann aber nicht zum Abschluss. Das lasse die Frage aufkommen, ob
es sich nicht um bewusste Lesermanipulation handle.
Im Folgenden die wichtigsten
Aussagen laut Zeitunug:
Krise der Familie und Pädophilie
Der
Papst sei erschüttert, dass die meisten Fälle von Pädophilie im familiären und verwandtschaftlichen
Rahmen geschehen. Das sei besonders verwerflich, denn eigentlich sollte die Familie
ein Schutzraum für die Erziehung der Kinder sein. Leider würden viele Eltern die Erziehung
der Kinder vernachlässigen und andere Dinge in ihrem Leben als wichtiger ansehen.
Das führe zu einer schleichenden Verwahrlosung der Kinder und zur Verbreitung anderer
Laster wie zum Beispiel Drogensucht. Die Kirche kämpfe dagegen und setze sich dafür
ein, dass Kinder wieder eine gute Erziehung erhielten.
Pädophilie und Kirche
Nach
Kenntnis des Papstes seien im Klerus etwa 2 Prozent pädophil veranlagt, darunter auch
Bischöfe und Kardinäle, eine Aussage, die Papstsprecher Pater Federico Lombardi bereits
dementiert hat: Das habe der Papst nie gesagt.. Diese (geringe) Zahl beruhige den
Papst aber keineswegs, so die Zeitung weiter, sondern sehe sie als äußerst schwerwiegend
an. Unhaltbar sei auch das Schweigen der Mitwisser. Er habe die Absicht diese Probleme,
wenn nötig, mit Strenge anzugehen.
Über die Barmherzigkeit
Ein
weiteres Thema des Gesprächs war die absolute Freiheit des Menschen zur Sünde und
die Frage nach der Reue „auf dem Sterbebett“. Scalfari fragt, ob die Aussicht auf
Barmherzigkeit „in letzter Minute“ nicht dazu führen könne, sich die Hoffnung auf
ein Jenseits zu bewahren ohne das eigene Leben im Jetzt zu ändern. Franziskus antwortet,
dass nicht der Mensch richte, sondern der Herr, der schließlich allwissend sei. Die
Barmherzigkeit Gottes sei unendlich und könne nicht in eine Falle gelockt werden.
Wenn die Reue nicht ehrlich ist, könne auch die Barmherzigkeit ihre erlösendes Werk
nicht ausüben. Das Gewissen sei frei, betont der Papst gegenüber dem bekennenden Atheisten
Scalfaro. Diese Probleme seien Kernfragen der Theologie, und man müsse dazu vor allem
die Weisheitsbücher der Bibel und das Buch Hiob studieren.
Kirche und Mafia
Der
Papst gesteht, dass er nicht nachvollziehen könne, wie die Mafia funktioniere. In
Argentinien gebe es auch Mörder und Verbrecher, aber keine Mafia. Er lese dazu viele
Bücher. Scalfari schreibt, dass er dem Papst in dem Gespräch erklärt habe, dass die
Mafia nach eigenen Regeln funktioniere und eine eigene Moral kenne. Es gebe sogar
einen Gott der Mafia. Die Familien der Mafia seien regelmäßige Kirchgänger.
Papst
Franziskus erinnert in dem Zusammenhang an die öffentliche Anklage Papst Johannes
Paul II. Es sei gut, dass die Priester den Opfern der Mafia beistehen, aber es sei
selten, dass sie die Mafia öffentlich ächten. Er selber habe nicht vor, es bei einem
einmaligen Appell zu belassen, sondern werde die Probleme beständig anprangern: Pädophilie
und Mafia: Dies seien, referiert Scalfari den Papst, zwei der wichtigsten Fragen für
die Kirche.
Zölibat
Am Ende des Gesprächs fragt Scalfari, wann
das Problem des Zölibats in der katholischen Kirche angegangen werde. Franziskus habe
laut Scalfari geantwortet, dass das Problem kein großes Ausmaß habe. Es brauche Zeit,
aber es gebe Lösungen, und er werde sie finden.