Wirtschaftstagung im Vatikan: „Selber denken macht schlau“
„Inclusive growth“,
alle Menschen einschließendes Wachstum: Das ist der gemeinsame Nenner der Teilnehmer
einer Tagung im Vatikan. Das berichtet der Managing Director des Weltwirtschaftsforums
und ehemalige Bundesminister Philipp Rösler Radio Vatikan gegenüber. Rösler, der auch
Mitglied des Zentralkommittees der deutschen Katholiken (ZDK) ist, nimmt an der Tagung
„The Global Common Good“ teil, die an diesem Samstag in den Vatikanischen Gärten zu
Ende geht.
„Es geht nicht nur darum, schön darüber zu sprechen, sondern
am Ende auch zu konkreten Maßnahmen zu kommen, also - wie es so schön heißt - eine
Multi-Stakeholder-Community zu schaffen, die auf der Basis bestimmter Werte Forderungen
formuliert und diese dann an Führer dieser Welt adressiert.“
Multistakeholder
Community: Der Begriff meint, dass nicht nur Wirtschaft und Politik, sondern auch
Wissenschaft, NGOs, die junge Generation, alle gemeinsam eine Gesellschaft bilden.
Das klingt alles noch sehr abstrakt, aber wenn man auf die Teilnehmerliste schaut,
dann sieht man am Sitz der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften große Firmen wie
Nestlé, Ferrero und Goldman Sachs vertreten, Institutionen wie das Weltwirtschaftsforum,
die Weltbank und den Weltwährungsfonds. Die akademische Welt und die kirchliche sind
ebenfalls hochrangig vertreten. Bei der Bezeichnung „ein Who is Who“ muss Rösler lächeln,
aber er sieht den Nutzen, den die Gemischtheit der Teilnehmer hat.
„Eigentlich
kann nur eine solche Zusammensetzung etwas bewirken. Wenn sie nur Politiker haben,
dann haben sie nur die politischen Themen auf der Agenda, vor allem aber haben sie
nicht den Input der gesamten Gesellschaft, jedenfalls nicht in der Diskussion. Und
umgekehrt allein nur unter NGOs [Nichtregierungsorganisationen] sprechen macht auch
wenig Sinn, weil es am Ende jemand umsetzen muss, und das ist zum Glück beim Primat
der Politik dann auch eine Regierung oder weltweite Vereinbarungen zwischen Regierungen.
Deswegen ist es gut, dass wir uns hier zusammenfinden, Werte austauschen und diskutieren
und daraufhin dann Maßnahmen besprechen und sie dann konsequent und selbstbewusst
bei den Regierungen dieser Welt einfordern.“
Forderungen, wie sie auch
Papst Franziskus stellt. Sein Satz „Diese ausschließende Wirtschaft tötet“ steht –
positiv gewendet – ja auch als Titel über der Veranstaltung. An diesem Samstag empfing
der Papst die Teilnehmer zu einem gemeinsamen Mittagessen.
Rösler sieht als
ehemaliger Politiker, Minister und Parteichef der FDP die Zwänge, in denen das Tagesgeschäft
oft steckt und unter denen Forderungen wie die nach mehr Gerechtigkeit oder inklusiver
Wirtschaft begraben zu werden drohen. Er wünscht sich bei wichtigen Akteuren mehr
Selbstvertrauen.
„Ich glaube, dass Selbstbewusstsein gut ist für Regierungen.
Wenn man Minister ist, wird einem oft gesagt: Wenn du dieses oder jenes tust, wirst
du diese Branche oder diese Arbeitsplätze verlieren. Es gilt das Prinzip ‚Selber denken
macht schlau‘. Das heißt, wenn sie eine gute Argumentation finden für etwas, was auf
ihren Werten basiert, dann sollten sie es umsetzen! Meist kommt es nicht so schlimm,
wie einige Lobbyisten es einem einzureden versuchen.“
Und was nimmt Rösler
an Neuem aus der Tagung mit?
„Die Kraft, die hinter NGOs steckt. Das ist
wirklich faszinierend, wenn man quasi hinter den Vorhang blickt oder – im positiven
Sinn – die Seiten wechselt.“
Die Tagung wird vom Päpstilichen Rat für Gerechtigkeit
und Frieden gemeinsam mit dem Staatssekretariat des Heiligen Stuhls veranstaltet.
Am Samstag Abend werden die Ergebnisse in einer Pressekonferenz bekannt gegeben.