Kirche und Mafia: Als sich die Madonna an der falschen Stelle verbeugte
Mafiosi seien „exkommuniziert“,
hat Papst Franziskus unlängst bei einem Kurzbesuch in Kalabrien, Süditaliens Hochburg
der `Ndrangheta-Mafia, geäußert: Seitdem steht die heikle Gemengelage Kirche-Mafia
mit all ihren Verschwiegenheiten auf einmal im Scheinwerferlicht. Inhaftierte Mafiosi
traten kurzzeitig in einen Messbesuch-Streik, und dass eine in Prozession herumgetragene
Madonnenstatue ausgerechnet vor dem Haus eines `Ndrangheta-Bosses einen Halt einlegte,
führte zu tagelanger Aufregung in den Medien. „Bei uns wohnt doch in fast jedem Haus
jemand, der mit der Mafia zu tun hat“, verteidigte sich der Pfarrer. Doch der zuständige
Bischof, Francesco Milito von Oppido Mamertina-Palmi, hat jetzt sämtliche Prozessionen
in seinem Bistum ausgesetzt. Radio Vatikan fragte ihn, warum.
„Einfach
aus Liebe zu meinem Volk. Denn ich glaube, dass es in diesen Tagen zu stark von den
Medien vorgeführt wurde. So sehr die Sache in sich auch schwerwiegend ist, so sehr
glaube ich doch auch, dass eine solche Überbetonung nicht richtig ist. Man sollte
die Menschen schützen! Darum wurde meine Entscheidung auch, soweit ich sehe, sehr
gut aufgenommen. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Ein Bischof darf sich von niemandem
zu Entscheidungen gezwungen fühlen, weder von der Presse noch von anderen Ratgebern.“
Die
Menschen im Bistum sollen die Prozessions-Auszeit zum Nachdenken und Beten nutzen,
schlägt der Bischof vor. Er selbst will sich demnächst mit seinen Mitarbeitern zusammensetzen:
„Wir
lassen uns nicht konditionieren!“
„Wir werden die Normen aus diesem
Bereich in die Hand nehmen und sie mit neuen Anordnungen verstärken, um dafür zu sorgen,
dass die Dinge so linear wie möglich ablaufen, so ehrlich und vor allem so kirchlich
wie möglich!“
Das unbefristete Prozessions-Verbot trifft süditalienische
Pfarreien an einer durchaus empfindlichen Stelle. Schutzheilige und Patrone herumzuführen
ist hier mehr als Folklore, schon in der Antike trug man Götterstatuen feierlich auf
den Schultern durch die Viertel. Bischof Milito will jetzt keineswegs das kirchliche
Leben zum Erliegen bringen.
„Statt der Prozession – und ich betone, nur
der Prozession! – schlage ich vor: Halten wir Eucharistische Anbetung und bitten wir
den Herrn entsprechend dem vorgeschriebenen Gebetstext, dass sich die Kirche in der
Eucharistie wieder selber finden möge, fern von allem Geschrei und Gerede, und vor
allem mit der Freiheit, die ihr erlaubt zu handeln, wie Gott das will. Wir lassen
uns nicht konditionieren! Das Gebet – und nichts anderes – ist das Klima, in dem die
Dinge heranreifen.“
Letztlich geht es um nicht weniger als eine neue Haltung
der Pfarreien zur Mafia, um ein Abstreifen von Verstrickungen. In Gang gesetzt wurde
dieser Prozess durch einen einzigen Satz, gesprochen von Papst Franziskus.
„Der
Papst hat so ein schönes katechetisches Werk getan! Er hat den Menschen die Augen
geöffnet: ‚Gehört ihr zu dieser Realität? Dann seid ihr exkommuniziert, dann seid
ihr nicht in der Gemeinschaft der Kirche!’ Das ist also keine Verurteilung nach einem
kanonischen Prozess, sondern eine Feststellung, die eine bereits wirksame Tatsache
ins Gewissen ruft. Das Wort ‚Exkommunikation’ ist nicht schwer zu verstehen, und darum
kann das natürlich schockieren, auf hoffentlich positive Weise... Es ist sonnenklar!
Niemand kann da anderes unterstellen oder interpretieren.“