Westafrika: Hunderttausend Kinder drohen zu verhungern
Den Menschen in der
Westafrikanischen Sahelzone droht die dritte Hungersnot innerhalb weniger Jahre. Mehr
als 20 Millionen Menschen, darunter viele Kinder, sind akut von der Hungerkrise betroffen,
warnt der Caritaspräsident von Österreich, Michael Landau. Seit Monaten schon hätten
Familien kaum etwas zu essen. Am schlimmsten wirke sich das auf Kinder sowie schwangere
und stillende Frauen aus. Katharina Pfadenhauer berichtet.
Vor rund einer
Woche war der Caritaschef persönlich in einem Ernährungszentrum im Bezirk Matam, im
östlichen Teil Senegals, um sich ein Bild von der Lage zu machen:
„Es ist
einer jener Orte, die deutlich machen, was Hunger meint und warum es wichtig ist,
dass wir als Caritas präsent sind. Ich denke an einen kleinen Jungen, den ich dort
gesehen habe, Sada. Er ist etwas über 18 Monate alt, wiegt etwas über fünf Kilo. Man
sieht, wenn ihn der Arzt untersucht, jede einzelne Rippe. Die Haut ist viel zu weit
für den Körper.“
Andere Kinder seien bereits so apathisch, dass sie nicht
mehr von der Brust der Mutter trinken können. „Wenn man sie hinhält, lehnen sie einfach
dort“, sagt Landau. Vielen dieser Kinder sähe man ihre Mangelerscheinungen an: verfärbte
Haare und Hautpigmentierungsstörungen seien häufig zu sehen.
In den vergangenen
Jahren wurde die Sahelzone immer wieder von schweren Dürren und Hungersnöten heimgesucht,
zuletzt im Jahr 2012. Die Sahelzone ist ein territorialer Gürtel, der sich unterhalb
der Sahara von West- nach Ostafrika zieht. Im westlichen Teil umfasst sie neben dem
Senegal auch die Länder Mali, Niger und den Tschad.
Abbé Ambroise Tine ist
Generalsekretär der Caritas Senegal. Er sagt, allein im Senegal sterben jedes Jahr
mehr als 200.000 Kinder am Hungertod. Knapp ein Drittel sei chronisch unterernährt.
Wenn es so weiter gehe, sagt er, könnten sie alle ihren fünften Geburtstag nicht erleben.
Als
Grund für die fortlaufenden Hungerkrisen nennt Ambroise Tine zum einen die Klimaveränderung:
ausbleibender Regen, schlechte Ernte. Zum anderen sei aber auch die schlechte Politik
verantwortlich. Der Senegal ist ihm zufolge durchaus im Stande, alle seine Bewohner
zu ernähren.
„Ich glaube unsere Politiker haben den richtigen Willen nicht,
das Land wirklich zu entwickeln. Agrarpolitik haben wir noch nicht, sodass die Leute
Zugang zum Wasser, zum Ackerland, zum Saatgut haben und selbst arbeiten können und
leben.“
Der Abbé ist sich sicher: Wenn es den Politikern wirklich ein Anliegen
wäre, könnten sie das Land binnen weniger Jahre aus der Armut herausführen.
„Wie
brauchen Politiker, die Visionäre sind und die im Herzen ein bisschen Liebe für die
Menschen haben … Ich sage immer: Die allererste Energie, die der Herrgott geschenkt
hat, ist die Intelligenz, die produziert Wissen und Know-How. Wenn wir diese Intelligenz
gut ausnutzen würden, hätten wir die Armut in Afrika überwinden können.“
Doch
nicht nur die Lokalpolitiker, sondern auch den vergleichsweise reichen Westen sieht
Ambroise Tine in der Pflicht, Solidarität mit den Hungernden zu zeigen. Er verweist
in diesem Zusammenhang auf die von Papst Franziskus angeprangerte „Globalisierung
der Gleichgültigkeit“. Auch Caritaschef Michael Landau ermahnt den Westen, nicht wegzusehen.
Der Hunger sei ein Auftrag an uns alle, appelliert er.
„Die Kinder dort
und dieser kleine Bub blicken uns an. Und seine Mutter. Und die Frage, vor der wir
stehen, ist: Werden wir vor den Augen dieses Kindes, werden wir vor den Augen dieser
Mutter bestehen.“
Der Caritaschef sprach von einer „stillen aber brutalen
Tragödie". Die österreichische Caritas wolle und müsse deshalb ihre Auslandshilfe
verstärken. Die diesjährige August-Kampagne hat es sich zum Ziel gesetzt, mindestens
30.000 Kinder vor Hunger zu bewahren und Hilfsprogramme weiter aufrecht zu erhalten.
Im Rahmen einer österreichweiten Gurkenglasaktion ruft die Caritas die Menschen dazu
auf, Kleingeld in leeren Gurkengläsern zu sammeln und anschließend zu spenden.