2014-07-09 10:59:03

Naher Osten: „Selektives Gedenken“


RealAudioMP3 Die katholische Kirche in Israel, Palästina und Jordanien ist ausgesprochen besorgt über das neue Aufflammen von Gewalt, Bombardements und Rachegelüsten. In einem ausführlichen Statement spricht die Friedenskommission der katholischen Bischöfe im Heiligen Land Israelis wie Palästinensern ins Gewissen.

„Eine Stimme ist in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen. Rachel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, denn sie sind dahin.“ (Vgl. Jer 31,15) So biblisch hebt die Erklärung der Bischöfe an. „Israel und Palästina hallen wider von den Schreien der Mütter und Väter, der Brüder und Schwestern, weil ihre geliebten jungen Leute der letzten Runde der Gewalt in diesem Land zum Opfer gefallen sind.“ Die Menschen im Land kennten jetzt die Gesichter „von einigen der Opfer“, weil die Medien viel über sie sprächen – „doch die weitaus meisten Opfer sind bloße Statistik, namenlos und gesichtslos.“ Das ist, auch wenn es implizit bleibt, ein Hinweis auf die vielen Palästinenser, die unter israelischer Besatzung ums Leben gekommen sind. „Selektive Berichterstattung, selektives Trauern, selektives Gedenken“ sei „ein Teil des Gewaltzyklus“, so die Erklärung.

Die Bischöfe kondolieren „allen Trauernden, Israelis wie Palästinensern“. Sie versprechen ihr Gebet um ein Ende der Gewalt und verurteilen scharf „das unverantwortliche Reden von kollektiver Bestrafung und Rache, aus dem nur weitere Gewalt entsteht“. So werde jede Hoffnung auf eine Alternative zur Gewalt zunichtegemacht. „Viele, die in Macht- und Führungspositionen sind“ – das dürfte vor allem auf Israels Premier Benjamin Netanjahu zielen – „verweigern sich nicht nur jedem wirklichen Dialogprozess, sondern gießen auch Öl ins Feuer, mit Wort und Tat.“ Die „gewalttätige Sprache auf der Straße in Israel“ mit ihrem „Ruf nach Rache“ werde „von einer Führung genährt“, die die Besatzung „mit all ihren katastrophalen Konsequenzen“ fortsetze. Doch genauso reden die Bischöfe auch den Palästinensern ins Gewissen: Die „gewalttätige Sprache auf der Straße in Palästina“ werde „von denen genährt, die jede Hoffnung auf eine gerechte Lösung des Konflikts durch Verhandlungen aufgegeben“ hätten. „Diejenigen, die eine totalitäre, monolithische Gesellschaft wollen, in der es keinen Raum für Unterschiede gibt, erhalten wegen der um sich greifenden Hoffnungslosigkeit viel Zulauf.“ Auch ihnen sagen die Bischöfe: „Gewalt bringt nur weitere Gewalt hervor!“

„Diese Morde sind auf keine Weise zu rechtfertigen“

Das Statement erinnert an die Friedensgebete für den Nahen Osten, die Papst Franziskus vor genau einem Monat in den Vatikanischen Gärten veranstaltet hat. Es zitiert den Papst mit der Mahnung, dass Frieden-stiften viel Mut erfordere, mehr Mut, als man zum Kriegführen brauche. „Wir müssen anerkennen, dass die Entführung und kaltblütige Ermordung der drei israelischen Jugendlichen und der brutale Rachemord des palästinensischen Jungen Produkte der Ungerechtigkeit und des Hasses sind, die die Besatzung in den Herzen der Täter geweckt hat. Diese Morde sind auf keine Weise zu rechtfertigen.“ Die Bischöfe fahren fort: „Den Tod der drei Israelis zu benutzen, um die Palästinenser kollektiv zu bestrafen, ist eine Instrumentalisierung der Tragödie.“ Widerstand gegen die Besatzung sei legitim, Terrorismus hingegen auf keinen Fall. Vor allem im Gaza-Streifen zeige sich auf dramatische Weise, wohin es führe, wenn keine „Visionen für eine alternative Zukunft“ mehr entwickelt würden. Aus dem Zyklus der Gewalt auszubrechen sei nicht nur eine Aufgabe der Israelis, sondern aller: „der Unterdrücker wie der Unterdrückten, der Opfer wie der Täter“. Jeder müsse im anderen den Bruder sehen und nicht den Feind.

„Wir brauchen einen radikalen Wechsel“, so das Statement bündig. „Wir sollten uns aller Führer entledigen, die die Gewalt anheizen, und Führer finden, die für Gerechtigkeit und Frieden arbeiten und anerkennen, dass Gott in diese Erde drei Religionen gepflanzt hat, nämlich Judentum, Christentum und Islam; und zwei Völker, nämlich Palästinenser und Israelis.“ Unablässig habe Papst Franziskus, und das sei noch gar nicht lange her, bei seiner Nahostreise Ende Mai zu Frieden ermuntert – daran sollten sich vor allem religiöse Führer ein Beispiel nehmen.

(rv 09.07.2014 sk)








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