Die katholische Kirche
in Israel, Palästina und Jordanien ist ausgesprochen besorgt über das neue Aufflammen
von Gewalt, Bombardements und Rachegelüsten. In einem ausführlichen Statement spricht
die Friedenskommission der katholischen Bischöfe im Heiligen Land Israelis wie Palästinensern
ins Gewissen.
„Eine Stimme ist in Rama zu hören, lautes Weinen und Klagen.
Rachel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, denn sie sind dahin.“
(Vgl. Jer 31,15) So biblisch hebt die Erklärung der Bischöfe an. „Israel und Palästina
hallen wider von den Schreien der Mütter und Väter, der Brüder und Schwestern, weil
ihre geliebten jungen Leute der letzten Runde der Gewalt in diesem Land zum Opfer
gefallen sind.“ Die Menschen im Land kennten jetzt die Gesichter „von einigen der
Opfer“, weil die Medien viel über sie sprächen – „doch die weitaus meisten Opfer sind
bloße Statistik, namenlos und gesichtslos.“ Das ist, auch wenn es implizit bleibt,
ein Hinweis auf die vielen Palästinenser, die unter israelischer Besatzung ums Leben
gekommen sind. „Selektive Berichterstattung, selektives Trauern, selektives Gedenken“
sei „ein Teil des Gewaltzyklus“, so die Erklärung.
Die Bischöfe kondolieren
„allen Trauernden, Israelis wie Palästinensern“. Sie versprechen ihr Gebet um ein
Ende der Gewalt und verurteilen scharf „das unverantwortliche Reden von kollektiver
Bestrafung und Rache, aus dem nur weitere Gewalt entsteht“. So werde jede Hoffnung
auf eine Alternative zur Gewalt zunichtegemacht. „Viele, die in Macht- und Führungspositionen
sind“ – das dürfte vor allem auf Israels Premier Benjamin Netanjahu zielen – „verweigern
sich nicht nur jedem wirklichen Dialogprozess, sondern gießen auch Öl ins Feuer, mit
Wort und Tat.“ Die „gewalttätige Sprache auf der Straße in Israel“ mit ihrem „Ruf
nach Rache“ werde „von einer Führung genährt“, die die Besatzung „mit all ihren katastrophalen
Konsequenzen“ fortsetze. Doch genauso reden die Bischöfe auch den Palästinensern ins
Gewissen: Die „gewalttätige Sprache auf der Straße in Palästina“ werde „von denen
genährt, die jede Hoffnung auf eine gerechte Lösung des Konflikts durch Verhandlungen
aufgegeben“ hätten. „Diejenigen, die eine totalitäre, monolithische Gesellschaft wollen,
in der es keinen Raum für Unterschiede gibt, erhalten wegen der um sich greifenden
Hoffnungslosigkeit viel Zulauf.“ Auch ihnen sagen die Bischöfe: „Gewalt bringt nur
weitere Gewalt hervor!“
„Diese Morde sind auf keine Weise zu rechtfertigen“
Das
Statement erinnert an die Friedensgebete für den Nahen Osten, die Papst Franziskus
vor genau einem Monat in den Vatikanischen Gärten veranstaltet hat. Es zitiert den
Papst mit der Mahnung, dass Frieden-stiften viel Mut erfordere, mehr Mut, als man
zum Kriegführen brauche. „Wir müssen anerkennen, dass die Entführung und kaltblütige
Ermordung der drei israelischen Jugendlichen und der brutale Rachemord des palästinensischen
Jungen Produkte der Ungerechtigkeit und des Hasses sind, die die Besatzung in den
Herzen der Täter geweckt hat. Diese Morde sind auf keine Weise zu rechtfertigen.“
Die Bischöfe fahren fort: „Den Tod der drei Israelis zu benutzen, um die Palästinenser
kollektiv zu bestrafen, ist eine Instrumentalisierung der Tragödie.“ Widerstand gegen
die Besatzung sei legitim, Terrorismus hingegen auf keinen Fall. Vor allem im Gaza-Streifen
zeige sich auf dramatische Weise, wohin es führe, wenn keine „Visionen für eine alternative
Zukunft“ mehr entwickelt würden. Aus dem Zyklus der Gewalt auszubrechen sei nicht
nur eine Aufgabe der Israelis, sondern aller: „der Unterdrücker wie der Unterdrückten,
der Opfer wie der Täter“. Jeder müsse im anderen den Bruder sehen und nicht den Feind.
„Wir brauchen einen radikalen Wechsel“, so das Statement bündig. „Wir sollten
uns aller Führer entledigen, die die Gewalt anheizen, und Führer finden, die für Gerechtigkeit
und Frieden arbeiten und anerkennen, dass Gott in diese Erde drei Religionen gepflanzt
hat, nämlich Judentum, Christentum und Islam; und zwei Völker, nämlich Palästinenser
und Israelis.“ Unablässig habe Papst Franziskus, und das sei noch gar nicht lange
her, bei seiner Nahostreise Ende Mai zu Frieden ermuntert – daran sollten sich vor
allem religiöse Führer ein Beispiel nehmen.