Papst Franziskus hat
an diesem Montagmorgen drei Stunden lang Opfern von Missbrauch durch Kleriker zugehört.
Sechs Personen waren von Kardinal Sean O´Malley, dem Koordinator der Vatikan-Kommission
über Kindesmissbrauch, zu dem Treffen eingeladen worden, informierte Vatikansprecher
Federico Lombardi. Bei den Missbrauchsopfern handelte es sich um je zwei aus Deutschland,
Irland und England, je drei Frauen und drei Männer. Sie nahmen an der Morgenmesse
mit dem Papst teil. Franziskus habe auf Spanisch eine Predigt gehalten, in der er
das Problem des Missbrauchs durch Kirchenleute breit thematisierte, informierte Lombardi.
Danach habe der Papst mit jedem der Opfer rund eine halbe Stunde lang gesprochen.
Die Predigt des Papstes wurde ebenfalls an diesem Montag veröffentlicht. Es war das
erste Treffen von Franziskus mit Missbrauchsopfern.
Die sechs Menschen waren
am Sonntag in der Casa Santa Marta eingetroffen. Papst Franziskus begrüßte sie bereits
beim Abendessen. Bei der Morgenmesse am Montag um sieben Uhr seien die Missbrauchsopfer
und ihre jeweiligen Begleiter anwesend gewesen, ebenso die Angehörigen der päpstlichen
Kommission, die in Franziskus´ Auftrag das Thema Missbrauch durch Kirchenangehörige
breit aufarbeitet. Danach hätten alle gemeinsam ein Frühstück eingenommen. Die Einzelbegegnungen
mit dem Papst dauerten nach Lombardis Angaben von neun bis fast halb ein Uhr, also
je eine gute halbe Stunde lang. Lombardi:
„Ich habe kurz mit den sechs
Menschen gesprochen und kann sagen, sie waren emotional berührt und voller Dankbarkeit
für die Möglichkeit, mit dem Papst so ausführlich und so persönlich sprechen zu können.
Sie hatten das Gefühl, mit großer Aufmerksamkeit und Offenheit angehört zu werden.“
Papst
Franziskus habe unter Beweis gestellt, „dass Zuhören beim Verstehen hilft und einen
Weg vorbereitet, um wieder Vertrauen zu fassen und die Wunden zu heilen“, sagte Lombardi.
Über die Inhalte der Einzelgespräche habe er keine Informationen; Lombardi konnte
nicht bestätigen, ob eines der beiden Opfer aus Irland einen schärferen Umgang mit
dem irischen Kardinal Sean Brady gefordert habe, der Täter gedeckt haben soll. Wichtig
sei, so Lombardi, dass die Begegnung von Papst Franziskus mit den Missbrauchsopfern
„ein Beispiel werden kann“.
„Der Papst, der einen so breiten Raum des Zuhörens
öffnet, gibt eine klare Botschaft an alle. Man muss zuhören und die nötige Zeit widmen,
damit sich die Seele öffnet. Es geht darum, die Wunden zu heilen, eine Möglichkeit
der Versöhnung mit Gott und der Kirche zu öffnen.“
Papst Franziskus habe
nach den langen Begegnungen erschöpft und erschüttert auf ihn gewirkt, sagte Lombardi.
„Wäre
es nur ein formales Treffen gewesen, hätte es wohl viel kürzer gedauert, wie viele
sich das gedacht hätten. Aber es war ein ganzer Vormittag. Er war berührt, wie jeder
Mensch, jeder Priester, der eine Begegnung dieser Art hat mit Menschen, die so schweres
Leid erlitten haben und Wunden haben; so etwas ist immer eine extrem anstrengende
Begegnung.“
Die Auswahl von nur sechs Menschen sei dem Umstand geschuldet,
dass tiefgehende Gespräche gewünscht wurden, sagte Lombardi. Sie kämen aus drei Ländern,
deren Ortskirchen Strukturen für den Umgang mit Missbrauchsopfern geschaffen hätten.
Leider gebe es noch „viele andere Länder und Situationen“, in denen Missbrauch durch
Kirchenleute aufgetreten sei. Das Thema sei heute „ein starkes Thema in der Kirche“.
Die päpstliche Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kirche,
die das Treffen der sechs Menschen mit dem Papst organisiert hatte, hatte am Sonntag
zum zweiten Mal seit ihrer Gründung getagt, informierte Lombardi. Dabei sprach man
unter anderem über die Statuten und mögliche neue Mitglieder.