Das immer neue Drama
von Lampedusa hat nicht nur eine humanitäre Seite, sondern auch eine kriminelle. Die
italienische Polizei hat in den letzten Tagen fünf Chefs einer Bande festgenommen,
die den Transport von Verzweifelten über das Mittelmeer Richtung Europa organisiert.
Den Eritreern, Äthiopiern und Sudanesen wird vorgeworfen, konkret für den Schiffbruch
eines Seelenverkäufers vor Lampedusa verantwortlich zu sein; dabei sind im vergangenen
Oktober 386 „Boat-people“ ums Leben gekommen. Mario Affronti ist ein Arzt aus Palermo;
er leitet die regionale Abteilung der katholischen Stiftung „Migrantes“, die sich
um Einwanderer kümmert. Im Gespräch mit Radio Vatikan macht er darauf aufmerksam,
dass ein einziges Boot mit dreihundert Menschen an Bord dieser Bande fast eine Million
Euro eingebracht hat. Schließlich musste ja jeder Einwanderer etwa 3.000 Euro für
die Überfahrt zahlen – ohne eine Garantie, sie auch zu überleben.
„Man
hat bisher fast gar nichts getan, um diese Art der Kriminalität zu bekämpfen! Dabei
werden die Bedingungen der Menschen auf der Überfahrt immer prekärer, weil ihnen kein
Bootsführer mehr mitgegeben wird. Stattdessen vertrauen diese Organisatoren ein paar
Flüchtlingen, die kaum ein Steuerrad halten können, alles an. Damit verhindern sie,
dass einer ihrer Leute bei der Landung festgenommen wird. Also, es wird immer gefährlicher.
Wir schlagen darum vor, von Ägypten oder Libyen aus eine Art humanitären Korridor
einzurichten, über den potentielle Asylbewerber auf geschützte Weise und legal nach
Europa einreisen können. Das scheint uns das einzige Werkzeug, um den Banden effizient
Paroli zu bieten. Außerdem müsste man der Polizei das Recht entziehen, Flüchtlinge
gleich wieder in Länder wie Ägypten, Nigeria oder Tunesien zurückzuschicken, noch
bevor sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellen konnten. Man könnte durchaus
etwas tun, aber leider wurde bisher fast nichts getan...“
Von einigen Seiten
wird im Moment die Ernennung eines EU-Kommissars für Einwanderung vorgeschlagen. Dr.
Affronti weiß noch nicht, was er davon halten soll.
„Na ja, auf jeden Fall
müsste das Schutzsystem in Italien verbessert werden. Wir brauchen mehr Organisation
und mehr Einbeziehung auch von NGOs, die sich in den letzten Jahren bemüht haben,
die Probleme zu lösen. Die Strukturen für die Aufnahme der Flüchtlinge sind sicher
nicht perfekt, aber Hauptsache, sie werden erst einmal aufgenommen. Das mit dem Kommissar
ist eine rein politische Frage. Solange Europa sich selbst als Festung sieht, die
vor diesen Leuten beschützt werden muss, könnte auch ein Kommissar wenig tun. Bis
jetzt gab es noch keinen politischen Willen in Europa, diese Lage ein für alle Mal
zu lösen; die Tatsache, dass man Italien damit alleinlässt, sagt ja alles.“