Papstpredigt: „Ein Christ verkündet nicht sich selbst“
„Christen sind Menschen
der Unterscheidung“: Das sagte Papst Franziskus an diesem Dienstag in der Predigt
bei seiner Frühmesse im Vatikan. ‚Unterscheidung’ ist einer der wesentlichen Begriffe
im Denken der Jesuiten; Franziskus ging von der biblischen Gestalt Johannes des Täufers
aus, dessen Geburtsfest die Kirche genau sechs Monate vor Weihnachten, also an diesem
24. Juni, begeht. Dreierlei habe diesen „Größten unter den Propheten“ ausgezeichnet:
das Vorbereiten, das Unterscheiden und das Geringer-werden.
Vorbereiten, zunächst.
Der Täufer habe dem Messias den Weg vorbereitet, „ohne irgendetwas für sich selbst
zu nehmen“. Dabei sei er ein „wortgewaltiger, gesuchter Mann“ gewesen und habe sicher
die Versuchung gespürt, „sich für wichtig zu halten“ – „aber er ist nicht gefallen“,
sondern hat auf einen anderen hingewiesen, so der Papst:
„Und das ist die
zweite Berufung des Johannes: angesichts so vieler guter Menschen zu unterscheiden,
wer der Herr ist. Der Geist hat ihm offenbart: ‚Dieser ist es’, und er hatte den Mut,
laut zu sagen: ‚Dieser ist es! Das ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!’
Die Jünger sahen diesem Mann hinterher, der gerade vorbeiging; sie ließen ihn gehen.
Am nächsten Tag passierte das Ganze noch einmal: ‚Dieser ist es! Er ist würdiger als
ich.’ Da sind ihm die Jünger hinterhergegangen. Während der Vorbereitung hatte Johannes
gesagt: ‚Nach mir kommt einer...’ Mit der Gabe der Unterscheidung kann er jetzt
aber auf den Herrn deuten und sagen: ‚Vor mir, dieser ist es!’“
Und
schließlich die dritte Gabe des Johannes: das Abnehmen, Geringer-werden. Er habe dem
Messias den Platz geräumt.
„Und das war die schwierigste Etappe für Johannes,
denn der Herr hatte einen Stil, mit dem Johannes nicht gerechnet hatte. Darum hat
er im Gefängnis nicht nur unter dem Dunkel seiner Zelle gelitten, sondern auch unter
der Finsternis in seinem Herzen. ‚Kann es wirklich dieser sein? Sollte ich mich getäuscht
haben? Ein Messias, der so umgänglich ist - das lässt sich nicht verstehen.’ Und weil
er ein Mann Gottes war, bat er seine Jünger, zu Jesus zu gehen und ihn zu fragen:
‚Aber bist du es wirklich? Oder müssen wir auf einen anderen warten?’“
Eine
nach Ansicht des Papstes „doppelte Demütigung“ des Täufers: Er geht „wegen einer Laune“
in den Tod, und er erlebt „die Finsternis der Seele“. Er, der Jesus zu erwarten und
zu erkennen wusste, muss jetzt erleben, „dass Jesus weit weg ist“. „Dieses Versprechen“,
so Franziskus, „ist in die Ferne gerückt, er stirbt allein, im Dunkeln, gedemütigt.“
Das alles, „damit der Herr wachsen kann“, und darum trotz allem „mit Frieden im Herzen“.
„Drei
Berufungen in einem Menschen: vorbereiten, unterscheiden, den Herrn Raum greifen lassen
und selbst abnehmen. Es ist schön, sich auch die Berufung eines Christen so zu denken:
Ein Christ verkündet nicht sich selbst, sondern einen anderen; er bereitet einem anderen
den Weg, nämlich dem Herrn. Ein Christ muss zu unterscheiden wissen. Er muss wissen,
wie man die Wahrheit von dem unterscheiden kann, was nur Wahrheit scheint. Ein Christ
muss ein Mensch der Unterscheidung sein und ein Mensch, der sich kleinzumachen versteht.
Damit der Herr wächst - im Herzen und in der Seele der anderen.“