2014-06-21 09:37:25

Warum der Papst nach Kalabrien gereist ist


RealAudioMP3 Ein Papst in Kalabrien: Das Reiseziel selbst ist die Botschaft. Franziskus geht mal wieder in die Peripherie, wie er das der Kirche ja auch immer wieder empfiehlt, und nicht nach London, Paris, New York. Francesco Di Chiara ist der Generalvikar des Bistums Cassano all`Jonio. Er sagt im Interview mit Radio Vatikan:

„Allein die Tatsache, dass der Heilige Vater zu uns kommt, ist eine Lektion an die Politik, die ja unsere Region als Randgebiet abtut. Wir haben zum Beispiel eine Bahnstrecke, die eine entscheidende Rolle für die ganze Region spielt, jetzt aber aus Kostengründen immer seltener genutzt wird, immer mehr Dienste werden heruntergefahren oder eingestellt. Der Heilige Vater erteilt der Politik, der Gesellschaft eine Lektion: Wir sind hier nicht Wegwerfware! Der Heilige Vater sorgt für hohen Wellengang – es ist nämlich nicht gut, wenn der Wasserspiegel völlig glatt ist.“

Bischof Nunzio Galantino hat dafür gesorgt, dass das Bistum selbst für die Kosten des Papstbesuchs aufkommt. Das Nein zu Sponsoren hält – das mag mitgespielt haben – die örtliche Mafia fern.

„Als Bischof Galantino uns das vorgeschlagen hat, waren wir Priester alle wirklich froh! Natürlich sind unsere Leute nicht sehr wohlhabend, aber das Scherflein der Witwe wird`s schon richten. In allen Pfarreien haben wir eine Kollekte durchgeführt und sind wirklich auf Großzügigkeit gestoßen. Wir wollten mit unserem Nein zu Sponsoren oder Subventionen durch die Politik unsere Freiheit der Kirche zeigen. Für uns ist das eine Freude! Ich sehe, dass die Leute stolz darauf sind, denn hier fühlt man sich sonst immer von anderen, von fremder Hilfe abhängig. Jetzt haben wir uns die Ärmel hochgekrempelt!“

Das schlimmste Problem in der Region ist für den Generalvikar die hohe Jugendarbeitslosigkeit: „Die private Initiative hier ist fast bei Null“, sagt er. Kein Wunder, dass viele Jugendliche abstürzen – in die Mafia oder in die Drogen. Debora ist so ein Fall: Die 28-Jährige versucht derzeit in einer therapeutischen Wohngruppe, von ihrer Heroinsucht wieder loszukommen. Gegenüber Radio Vatikan meinte sie:

„Abrutschen ging so einfach – aber hinterher wieder hochzukommen, das ist schwieriger. Immerhin bin ich stolz darauf, dass ich in vier Monaten fertig bin mit dem Programm! Zweieinhalb Jahre lang habe ich es nie geschafft, so weit zu kommen, ich habe das Programm immer wieder unterbrochen. Weil mein Bruder auch drogenabhängig ist, war es für mich normal, in so einem Umfeld zu leben. Es war, sagen wir, natürlich, in diesen Teufelskreis zu geraten. Aber zum Glück habe ich jetzt begriffen, dass diese Strasse mich nirgendwo hinführt... und im Jahr 2011 habe ich beschlossen, aufzuhören.“

Debora fühlt sich durch den Papstbesuch geehrt: Noch nie habe sie „so eine Emotion gespürt“, sagt sie.

„Die Abhängigkeit gaukelt dir ein Leben im Glück vor: Du verlierst deine Unsicherheit, lässt das bisherige Leben hinter dir, fühlst dich stark... Vor allem das Heroin gibt dir eine Sicherheit, die du sonst nicht spürst. Aber dann vergehen die Jahre, und dir wird klar, dass du dich von innen und von aussen zerstörst.“

Debora und einige andere Mitglieder ihrer Einrichtung waren zum Mittagessen mit dem Papst eingeladen. Fiammetta De Salvo leitet diese Einrichtung; uns sagte sie:

„Wir haben vor allem mit einem wirtschaftlichen und politischen System zu kämpfen, das sich um diese Realität kaum kümmert und uns immer wieder in große finanzielle Schwierigkeiten stürzt. Das macht es uns völlig unmöglich, noch mehr zu tun als das Derzeitige. Und vor allem gibt es kein äußeres Umfeld, das dann diese Menschen, die wir von ihrer Sucht zu befreien versuchen, wieder integrieren könnte.“

(rv 21.06.2014 sk)








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