Die wenigen Christen
im irakischen Mossul fürchten um ihre Zukunft. Das sagt gegenüber Radio Vatikan der
frühere syrisch-katholische Bischof der zweitgrößten irakischen Stadt, Basilios Gregorius
Casmoussa. Dschihadisten brachten am Dienstag Mossul und eine ganze Provinz unter
ihre Kontrolle. Die Regierung in Bagdad schaut machtlos zu - und bittet um Militärhilfe.
Alt-Bischof Casmoussa lebt seit einiger Zeit im Libanon, hält aber weiterhin engen
Kontakt mit seinen Bekannten in Mossul.
„Eine solche Eroberung geschieht
nicht von heute auf morgen! Da gab es schon seit Wochen blutige Kämpfe, Zerstörungen
und vor allem viel Diebstahl. Die Menschen in Mossul mussten schliesslich dem Druck
der Kämpfer nachgeben. Wir hatten früher schon solche Szenen erlebt, aber diesmal
– wie mir Freunde in Mossul sagen – ist es besonders schlimm. Auch jene, die noch
optimistisch sind, räumen ein, dass es diesmal sehr ernst ist.“
Nach Falludscha
ist das von Sunniten, Christen und Kurden besiedelte Mossul seit Januar bereits die
zweite Großstadt, die in die Hände der sunnitischen Dschihadisten gefallen ist.
„Das
akzentuiert noch weiter die Spannungen, die es in der irakischen Gesellschaft gibt.
Mossul und die gesamte umliegende Region galt bisher immer als sehr kritisch gegenüber
Machthabern, weil hier viele Minderheiten lebten. Gerade die christliche Minderheit
war immer sehr kritisch, aber auch sehr angesehen. Ich habe nun gehört, dass kurdische
Soldaten nach Mossul aufbrechen, um Christen zu beschützen. Ich zweifle daran, dass
hier mittelfristig eine friedliche Situation herrschen wird.“
Der sunnitisch-schiitische
Konflikt, der seit der amerikanischen Eroberung Bagdads 2003 die Region spaltet, hat
mit dem Fall der Vielvölkerstadt einen neuen Höhepunkt erreicht, so Casmoussa. Aber
auch der Konflikt in Syrien dürfte von der Übernahme von Iraks zweitgrößter Stadt
durch Dschihadisten negativ beeinflusst werden. Zur Erinnerung: Mossul liegt nur siebzig
Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Von Mossul aus könnten also Kämpfer und
Waffen ins benachbarte Krisenland ziehen.
Erzbischof Nona „entsetzt“ Die
Dschihadisten-Gruppe ist berüchtigt durch Kreuzigungen von Christen und Massenexekutionen.
Mossul war eines der Zentren der chaldäischen Christen. In einem Telefonat mit dem
römischen Missionspressedienst „AsiaNews“ sagte Erzbischof Shimoun Nona am Mittwoch,
die Christen seien auf der Flucht, ebenso wie viele Muslime. Nona appellierte auch
dringend um Hilfe für die Flüchtlinge, weil die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser
ans Ende komme; innerhalb von zwei, drei Tagen werde auch in der Stadt Mosul die Versorgung
zu Ende sein, so der Erzbischof. Waren des täglichen Bedarfs seien „nirgendwo zu finden“.