Zum Frieden braucht es Mut: Die Ansprachen bei den Friedensgebeten
Die Bilder sind
um die Welt gegangen: Drei Männer, die sich umarmen, sich die Hände reichen und die
mit dieser Geste den Willen und den Mut zum Frieden im Nahen Osten und auf der ganzen
Welt zeigen.
Das Friedenstreffen von Papst Franziskus mit dem israelischen
und palästinensischen Präsidenten, Shimon Peres und Mahmud Abbas, in Anwesenheit des
Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. und des Franziskanerkustos des Heiligen
Landes Pater Pierbattista Pizzaballa hat an diesem Sonntagabend bei strahlendem Sonnenschein
in den Vatikanischen Gärten stattgefunden. Es sind Bilder, die an eine Hochzeit erinnern
– alle festlich gekleidet, an einem sonnigen Sonntag. Ein dreieckiger Rasen mitten
in den Gärten, zwischen Vatikanischen Museen und Päpstlicher Akademie der Wissenschaften.
Auf dem Rasen sitzen alle in ihren traditionellen Kleidern vereint – Juden, Muslime,
Christen. Von Großmufti bis zum Kardinal, vom Drusen bis zum Rabbiner.
Nach
drei Gebetsmomenten und Fürbitten für den Frieden in unterschiedlichen Sprachen (hebräisch,
englisch/ italienisch, arabisch), der Vatikan nennt sie Invokationen, mit musikalischer
Untermalung, hielten die drei Protagonisten bewegende Ansprachen für den Frieden zwischen
ihren Völkern und auf der Welt. Sie alle waren mutig gewesen – denn so wie Papst Franziskus
bei seiner Rede sagte, braucht es Mut, um Frieden zu schaffen, sehr viel mehr, als
um Krieg zu führen.
„Es braucht Mut, um Ja zu sagen zur Begegnung und Nein
zur Auseinandersetzung; Ja zum Dialog und Nein zur Gewalt; Ja zur Verhandlung und
Nein zu Feindseligkeiten; Ja zur Einhaltung der Abmachungen und Nein zu Provokationen;
Ja zur Aufrichtigkeit und Nein zur Doppelzüngigkeit. Für all das braucht es Mut, eine
große Seelenstärke.“
Viel zu viele Kinder seien unschuldige Opfer von Krieg
und Gewalt geworden, so der Papst; wie Pflanzen seien sie in voller Blüte ausgerissen
worden. Er bitte Gott um Hilfe, um Mut und um die Fähigkeit, alle Mitmenschen, denen
wir auf unserem Weg begegnen, mit Wohlwollen anzusehen.
„Nun, Herr, hilf
Du uns! Schenke Du uns den Frieden, lehre Du uns den Frieden, führe Du uns zum Frieden!
Öffne unsere Augen und unsere Herzen, und gib uns den Mut zu sagen: „Nie wieder Krieg!“;
„Mit dem Krieg ist alles zerstört!“
Peres für „Frieden unter Gleichen“
Die
Anrufung des Papstes endete mit den Worten: „Shalom, Frieden, Salam!“ Shimon Peres
würdigte gleich zu Beginn seiner Rede Papst Franziskus als einen „Brückenbauer der
Bruderschaft des Friedens“ und bedankte sich herzlich bei ihm, aber auch bei Abbas.
Er erwähnte, dass es für den Frieden Opfer gebracht und Kompromisse eingegangen werden
müssen.
„Zwei Völker – das israelische und das palästinensische – wünschen
sich Frieden. Die Tränen der Mütter, die um ihre Kinder weinen, mahnen unsere Herzen.
Wir alle brauchen Frieden. Frieden unter Gleichen!“
Er erinnerte daran,
dass wir unseren Nächsten lieben sollten wie uns selbst; dabei berief sich der israelische
Präsident nicht auf das Liebesgebot Jesu, sondern auf einen Ausspruch von Rabbi Akiba.
„Ich war jung, jetzt bin ich alt. Ich habe den Krieg erlebt und den Frieden.
Niemals werde ich die Familien, Eltern und Kinder vergessen, die für den Krieg bitter
bezahlen mussten. Mein ganzes Leben werde ich nicht mehr aufhören, für den Frieden
zu arbeiten."
Während Peres an die Bedeutung Jerusalems für das jüdische
Volk erinnerte, wies der palästinensische Präsident Abbas in seinem Redebeitrag darauf
hin, dass Jerusalem, al-Quds, eine der heiligsten Stätten des Islam sei. Abbas forderte
Frieden und Gerechtigkeit für sein Volk; er bete um ein würdiges Leben in Freiheit,
eine Zukunft in einem freien und unabhängigen Staat. Der Leiter der Palästinensischen
Autonomiebehörde zitierte den heiligen Johannes Paul II. mit dem Ausspruch, wenn in
Jerusalem einmal Frieden herrsche, dann werde dieser Friede ausstrahlen auf die ganze
Welt.
„Deswegen bitten wir dich, Herr, um Frieden im Heiligen Land, in Palästina
und Jerusalem! Wir bitten dich, Palästina und vor allem Jerusalem in einen sicheren
Ort für alle Gläubigen, einen Ort des Gebets und der Anbetung für alle monotheistischen
Religionen zu verwandeln.“
Darauf folgt dann die erwartete Friedensgeste:
Papst Franziskus und die Präsidenten Abbas und Peres reichen sich die Hände. Sie küssen
und umarmen sich, wie auch schon zu Beginn des Treffens. Mit ein paar entschlossenen
Schritten hat sich auch der Ökumenische Patriarch dazugestellt. Im Hintergrund ertönt
klassische Musik, während die vier Protagonisten mit jeweils einer blauen Schaufel
auf der Vatikanwiese einen Olivenbaum pflanzen. Später ziehen sich die Protagnisten
noch in die Päpstliche Akademie der Wissenschaften zurück, um einen Moment privat
zu sprechen, dann ist der historische Moment vorüber. „Sie müssen sich doch erholen“,
hört man noch einen Kardinal zum Papst sagen, bevor die Kameras ausgeschaltet werden.
Tatsächlich sagt Franziskus an diesem Montag wegen „leichter Indisposition“ eine geplante
Begegnung mit italienischen Staatsanwälten ab. (rv 09.06.2014 no)