Der 99. Deutsche Katholikentag
in Regensburg biegt in die Zielgerade ein: am Sonntag endet das große Treffen in der
Donaustadt. Rund 50.000 Besucher tummelten sich dort bisher, Samstag und Sonntag sind
die natürlichen Höhepunkte. Wir haben vor dieser Sendung unsere Kollegin Christine
Seuß nach ihren Eindrücken gefragt; sie ist dort am Radio Vatikan-Stand mitten im
Geschehen.
„Man hat von Anfang an gemerkt, dass die Menschen wirklich guter
Stimmung sind. Es war die ersten Tage sehr regnerisch und kühl und das hat den Katholikentag
insofern beeinträchtigt, als die zentraleren Veranstaltungen in geschlossenen Räumen
sehr schnell überfüllt waren und die Besucherzahlen der ersten Tage doch deutlich
hinter den Erwartungen zurück blieben. Aber man sah und sieht viele lachende Gesichter,
kann intensive Gespräche an den einzelnen Ständen und am Rand der Foren und Workshops
beobachten und auch selbst führen. Das Programm ist wie immer so voll und so interessant,
dass man unmöglich alles besuchen kann, aber die Fülle des Angebots wird von allen
als sehr positiv empfunden.“
Welche Themen interessieren die Leute auf
dem Katholikentag am meisten? Sind es Streitfragen, ist es Geistliches, also geht
es mehr um Meinung oder um das Feiern des katholischen Glaubens?
„Das Programm
ist darauf ausgerichtet, jedem Geschmack entgegen zu kommen. Klar ist, dass sich die
Veranstalter des Katholikentages mit ihrem Motto – Mit Christus Brücken bauen – ein
sehr ehrgeiziges Ziel gesetzt haben. Denn es geht hierbei einerseits um eine Diskussionskultur
im katholischen Geist, aber andererseits um ein Heraustreten aus den innerkirchlichen
Debatten. Und das bedeutet, den Blick nach draußen zu richten und zu sehen, was können
Christen in der Gesellschaft und – warum nicht – in der Politik bewirken? Bundeskanzlerin
Merkel und Bundespräsident Gauck waren da, aber auch Kabinettsvertreter haben sich
in den Diskussionen kritischen Fragen gestellt. Den Themen sind dabei keine Grenzen
gesetzt, aus aktuellem Anlass wurde beispielsweise eine Veranstaltung zum Ukraine-Konflikt
und seine Folgen für Europa ins Programm aufgenommen, auch die Kanzlerin ging bei
ihrer Rede am Freitag darauf ein. Aber auch nicht dem kirchlichen Kanon entsprechende
Lebensentwürfe und der Umgang damit in der Pastoral - Stichwort Wiederverheiratete
Geschiedene oder Homosexualität innerhalb der Kirche - wurden diskutiert, genauso
wie Inklusion von Menschen mit Handicaps und von gesellschaftlich Benachteiligten.
Daneben gibt es natürlich unglaublich viele Gottesdienste mit jeweils eigenen Schwerpunkten,
die Möglichkeit zum ständigen Gebet und spirituelle Gespräche – es ist also wirklich
für jeden etwas dabei!“
Auch der Schwangeren-Beratungsverein Donum Vitae,
der außerhalb der katholischen Kirche steht, durfte trotz anfänglicher Widerstände
abermals am Katholikentag teilnehmen. Ist das eigentlich in Regensburg selbst ein
großes Thema?
„Der Regensburger Bischof hatte vorher klar gesagt, er wolle
Donum Vitae nicht auf dem Katholikentag in seiner Stadt sehen, aber letztendlich wurde
das doch geduldet. Und ganz im Sinn des Leitwortes gab es eine Veranstaltung, bei
der Kirchenvertreter und Vereinsvertreter miteinander diskutieren konnten. Das ist
insofern ein großer Schritt, als tatsächlich doch zumindest gemeinsame Werte formuliert
werden konnten. Der Weg zu einer kirchlichen Anerkennung ist damit nicht geebnet,
denn dazu sind die Positionen in entscheidenden Fragen zu weit voneinander entfernt.
Aber der Gesprächsfaden ist aufgenommen worden, und das ist nach 15 Jahren strikter
Trennung schon ein großer Erfolg – wir werden sehen, was eine Fortführung der Diskussion
in Leipzig bringen wird.“
Es ist der 99. Katholikentag. Was ist diesmal
neu?
„Das Neue und Besondere ist vor allem die sehr intensive Diskussion,
die bewusst auch den ganz kontroversen Themen gewidmet wurde. Da ist auch die Gesprächsbereitschaft
der Bischöfe, ganz im Sinne des Dialogprozesses, hervorzuheben. Einen besonderen Akzent
setzte natürlich auch der Ort, Regensburg. Hier ist die Volksfrömmigkeit bei vielen
Menschen noch tief verwurzelt, was eine eigene Dynamik mit sich bringt. Dieses Jahr
sind auch besonders viele tschechische Bistümer mit dabei, was den Blick automatisch
weitet – Kardinal Duka aus Prag wird dann ja auch beim großen Hauptgottesdienst am
Sonntag konzelebrieren. Besonders auffällig ist meines Erachtens aber auch, dass der
Papstwechsel tatsächlich insofern einen frischen Wind mit sich gebracht hat, als Franziskus
mit seinen Gesten viele Menschen sehr direkt erreicht. In seiner „armen und verbeulten“
Kirche, die sich vor allem um die Menschen am Rande der Gesellschaft kümmern soll,
erkennen sich viele Menschen wieder, was sich in einer neuen Begeisterung und einem
neuen Enthusiasmus niederschlägt, die doch sehr positiv für die Zukunft der katholischen
Kirche hier in Deutschland stimmen.“