Nur mit einer positiven Einstellung zur Welt kann die Kirche ihren Kernauftrag der
Verkündigung des Evangeliums erfüllen. Das betonte Kardinal Schönborn in einer programmatischen
Ansprache zum Auftakt des Pfarrgemeinderätekongresses am Donnerstagabend in Mariazell.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz dankte den 500 Delegierten stellvertretend für
die rund 30.000 ehrenamtlichen Pfarrgemeinderäte, die als Frucht des Zweiten Vatikanischen
Konzils aus dem Leben der Kirche „nicht mehr wegzudenken sind“. Diese Form des Engagements
sei „nicht selbstverständlich“, betonte der Kardinal im Rückblick auf „schwierige
und leidvolle Jahre“ der Kirche.
In den Mittelpunkt seiner Rede stellte der
Kardinal ein fünffaches Ja, das für einen missionarischen Aufbruch der Kirche ganz
im Sinne von Papst Franziskus notwendig sei: „Wir müssen Ja zu unserer Zeit sagen,
weil Gott diese Zeit und diese Welt liebt“, betonte der Wiener Erzbischof und sagte:
„Jammern und Nostalgie hilft uns nicht weiter“. Es gelte die Welt „mit den Augen Jesu,
mit seinem liebenden Blick zu sehen“.
Kein Aufbruch ohne Realismus
Damit
verbunden sei ein notwendiges „Ja zu unserer Situation“, so Schönborn, der für Realismus
hinsichtlich der kirchlichen Lage plädierte: „Das Glas ist nicht mehr ganz voll. Wir
sind geschrumpft und werden weiter schrumpfen.“ Es sei Zeit, Abschied zu nehmen von
der Kirche der 1960er- und 70er-Jahre. Zur neuen Situation gehöre aber auch, dass
allein in Wien rund ein Drittel der Katholiken Menschen mit Migrationshintergrund
seien. „Anderssprachige Christen sind ein integraler Bestandteil unsere Kirche in
Österreich, die dadurch immer mehr zur Weltkirche wird“, sagte der Wiener Erzbischof.
Dies müsse sich künftig auch auf der Ebene der Pfarrgemeinderäte zeigen.
Zum
nötigen Realismus gehöre auch ein Ernstnehmen der demografischen Entwicklung: „Uns
fehlt die Jugend in der Kirche, weil es einfach immer weniger Jugendliche gibt“, hielt
der Kardinal nüchtern fest. Nur ein beherztes „Ja zur Situation“ biete die Voraussetzung,
um positiv in die Zukunft zu gehen.
Das vom Zweiten Vatikanischen Konzil formulierte
„gemeinsame Priestertum“ müsse durch ein „Ja zu einer gemeinsamen Berufung der Getauften
und Gefirmten zur Heiligkeit“ realisiert werden, so der Kardinal weiter. Ein so verstandenes
gemeinsames Priestertum, nehme dem Weihepriestertum nichts weg. „Jeder und jede ist
ermächtigt Zeuge Christi zu sein“, dies gelte es zu leben. Dabei bräuchte es auch
ein „Ja zum Prinzip Stellvertretung“. Es sei ein biblischer Grundsatz, „stellvertretend
für viele andere zu stehen, zu beten, zu leben und Eucharistie zu feiern - auch und
gerade als Minderheit“, sagte der Kardinal.
Ja zur gesellschaftlichen Verantwortung
Der Verkündigungsauftrag müsse sich schließlich in einem „Ja zu unserem
gesellschaftlichen Auftrag“ erweisen, führte der Vorsitzende der Bischofskonferenz
weiter aus. Dies zeige sich im sozial-caritativen Wirken der Kirche und in einem mutigen
Auftreten in der Öffentlichkeit und in den Medien. Dies gelte nicht nur für die Bischöfe,
sondern allgemein: „Wir müssen gemeinsam deutlicher werden“, so der Kardinal an die
versammelten Pfarrgemeinderäte.
Als Leitfaden für einen kirchlichen Aufbruch
bezeichnete der Kardinal am Ende seiner Rede das von Papst Franziskus verfasste Schreiben
„Evangelii gaudium“. Dieser Text sei in seiner Weise „einzigartig“ und eröffne eine
Perspektive, dass der Kongress „auch eine geistliches Ereignis“ wird, so der Wunsch
des Kardinals.
Wallfahrt und Kongress der Pfarrgemeinderäte stehen unter dem
Motto „Ermutigungen - Spannungsfelder – Zukunftsspuren“. Im Zentrum der bis Samstag
dauernden Beratungen stehen Modelle und Projekte, in denen Laien in Eigenverantwortung
ihren Glauben zeitgemäß leben und damit Menschen den Weg zur Kirche eröffnen.