2014-05-28 11:13:43

Sudan: Meriam in Lebensgefahr


RealAudioMP3 Die zum Tod verurteilte Christin im Sudan, Meriam Yahia Ibrahim, hat am Montag ihr Kind zur Welt gebracht: Es ist eine Tochter. Damit steigt ihre Lebensgefahr, fürchtet die von Deutschland aus operierende „Gesellschaft für bedrohte Völker“: Jetzt könne die Todesstrafe an der 27-jährigen Ärztin nach Scharia-Recht jederzeit vollstreckt werden. Meriam war am 11. Mai zu hundert Peitschenhieben und anschließender Hinrichtung durch den Strang verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe sollte nach der Geburt ihres zweiten Kindes erfolgen, mit dem sie schwanger war. Das Gericht hatte ihr vorgeworfen, sich vom muslimischen Glauben abgewendet und Ehebruch begangen zu haben. In Wirklichkeit ist Meriam als Christin aufgewachsen.

„Das ist ein symptomatischer Fall“, sagt der Vatikan-Beobachter bei der UNO in Genf, Erzbischof Silvano Tomasi, im Gespräch mit Radio Vatikan:

„Wir müssen ihn im größeren Zusammenhang mit anderen Fällen wie etwa der gleichfalls nach Scharia-Recht zum Tod verurteilten Asia Bibi in Pakistan sehen. Das Grundproblem ist: Wie können wir die grundlegenden Menschenrechte dieser Menschen wahren angesichts bestimmter Traditionen oder politischer Gemengelagen, die den Respekt dieser Rechte zu einer schwierigen Angelegenheit machen?“

Zu diesen grundlegenden Rechten – und das ist der Knackpunkt – zählt der Vatikan-Diplomat das Prinzip der Religionsfreiheit: Dazu gehöre nicht nur, ungestört eine Religion zu praktizieren, sondern auch, von einer Religion zur anderen zu wechseln.

„Das ist auch von der Verfassung des Sudan aus dem Jahr 2005 anerkannt worden. Das ist zwar nur eine vorläufige Verfassung, aber immerhin die derzeit gültige. Das zeigt uns, dass das Justizsystem im Fall von Meriam Ibrahim etwas unter Druck lokaler Gegebenheiten steht und nicht so sehr auf der Linie, die der Sudan eigentlich anerkannt hat: nämlich das Recht auf Kult-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu achten.“

Dazu müsse man noch „hinzunehmen“, wie in der sudanesischen Gesellschaft „Frauen behandelt werden“, fügt der Vatikan-Erzbischof hinzu.

„Zum Beispiel darf eine Frau, wenn sie Muslimin ist, eine Ehe mit einem Muslim eingehen, aber nicht mit einem Mann, der zu einer anderen Religion gehört; während der Muslim auch eine Frau einer anderen Religion heiraten darf, ohne dass er von der Scharia deswegen bestraft wird. Über diese Lage müssen wir etwas mehr nachdenken; wir müssen sehen, wie wir in einem solchen Kontext die grundlegenden Rechte voranbringen können, darunter auch die Anerkennung der Gleichheit zwischen Frau und Mann im Heirats- und Erbrecht sowie in der Teilnahme am öffentlichen Leben. Man muss von den jetzigen Gegebenheiten ausgehen und versuchen, ein Klima des Dialogs und der Bildung herzustellen – vor allem um klarzumachen, dass der Weg in die Zukunft über den Respekt vor der Würde jedes einzelnen Menschen führt.“

Menschenrechtsverbände wie die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ fordern dringend eine Verstärkung des weltweiten Drucks auf die sudanesische Regierung, um die Freilassung der Konvertitin zu erreichen. Die deutsche Regierung solle dem Außenminister des Sudan „mit allem Nachdruck deutlich machen, dass er in Deutschland nicht willkommen ist, solange der Konvertitin nach einem absurden Strafverfahren der Tod durch Erhängen droht“. Sudans Außenminister Ali Ahmed Karti will am 4. Juni in Berlin an einer Veranstaltung des Afrika-Vereins mitwirken. Auch das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte hatte mit Empörung auf die Verurteilung reagiert. Bereits 400.000 Menschen in aller Welt haben eine Petition zur Freilassung der Frau auf der Internetseite unterzeichnet. Noch einmal Erzbischof Tomasi:

„Es ist sicher sehr hilfreich, auf internationaler Ebene eine öffentliche Meinung herzustellen, die der Regierung und dem Justizsystem des Sudan das Völkerrecht vor Augen führt. Denn die große Aufmerksamkeit für solche Fälle kann zu einem Dialog und zum Nachdenken über den Vorrang des Völkerrechts vor lokalem Recht führen, vor allem bei Grundrechten, die wirklich von allen respektiert werden sollten. Das ist die Strasse in die Zukunft des menschlichen Zusammenlebens. Wir sind jetzt in einer globalen Welt, wo die Unterschiede sich multiplizieren; wir leben in einem Pluralismus der Religionen, Kulturen und Lebensstile. Wenn wir eine Weise des friedlichen Zusammenlebens finden wollen, müssen wir vom Respekt vor dem Menschen und seiner Würde ausgehen.“

Am 18. April hatte es im Fall Meriam Yahia Ibrahim eine gerichtliche Anhörung gegeben; dabei hatten drei Zeugen ausgesagt, sie sei in einer christlichen Familie aufgewachsen, doch dies genügte den Richtern nicht. Die junge Frau ist Tochter einer orthodoxen Christin aus Äthiopien und eines muslimischen Sudanesen. Ihr Vater verschwand, als sie sechs Jahre alt war. So wurde sie als Christin erzogen und heiratete im Jahr 2012 den christlichen Südsudanesen Daniel Wani, der seit einigen Jahren US-Staatsbürger ist. Doch nach islamischem Recht gehört sie als Tochter eines Muslims dem Islam an und gilt als nicht verheiratet, da eine Ehe zwischen einer Muslimin und einem nicht-muslimischen Ehemann offiziell nicht anerkannt wird. Da sie bereits ein Kind zur Welt gebracht hat, wurde sie nun auch noch wegen vermeintlichen „Ehebruchs“ verurteilt.

(rv/pm 28.05.2014 sk)








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