2014-05-25 10:48:01

Vor dem Papstbesuch in Israel: „Hauptsache keine Fehler machen“


RealAudioMP3 Papst Franziskus spricht bei seiner Papstreise viel von Frieden und Versöhnung, von Aufbrüchen. In Israel sind die Erwartungen vor der Ankunft des Papstes dagegen nicht sehr hoch. Das Beste, was viele hoffen, ist dass alles gut geht und der Papst keinen politischen Fehler macht. Erreichen könne er eh nichts. Skeptisch wie die meisten Israelis ist auch Moshe Zimmermann, Historiker in Jerusalem und über Jahre auch Professor in Deutschland. Er erläutert die eher pessimistische Sicht Israels auf das, was der Papst bewirken kann - so gut wie nichts nämlich. Ein Gespräch über die radikale Rechte Israels, über Fatalismus im Nahen Osten und die Erinnerungspolitik des Staates Israel.

Unser Korrespondent vor Ort Pater Bernd Hagenkord hat Moshe Zimmermann zuerst gefragt, wie die Öffentlichkeit Israels den Papstbesuch erwartet.

„Wie die Papstbesuche bisher auch. Man erwartet, dass der Papst keinen Fehler begeht, dass er Sympathien für Israel zeigt, dass er nichts allzu Radikales zu Palästina sagt, dass er sich zur Verantwortung für die Sünden der Europäer bekennt, das heißt auf den Holocaust Bezug nimmt.“

Wird man eher auf die möglichen Fehler schauen, oder auf das Positive warten?

„Es gibt Kreise, die darauf lauern, die negativen Seiten zu entdecken. Auch beim letzten Besuch von Benedikt XVI. in Israel schaute man auf seine Rede in Yad Vashem [der Holocaust-Gedenkstätte, Anm.d.Red]. Man hat die Rede nicht gut verstanden, aber summa summarum war es für viele Leute eine Rede, die nicht grundsätzlich genug war. Das heißt er hat nicht offen zugegeben, dass die Deutschen und die Europäer und das Christentum Schuld waren am Holocaust. Darauf lauert man hier. Und man ist auch immer auf der Hut zu sehen, ob der Papst nicht zu viel Sympathie für die Palästinenser aufbringt.“

Spielt es eine Rolle, dass nun das erste Mal ein Nichteuropäer Papst ist? Die letzten beiden waren von der Geschichte ihrer Länder und auch persönlich ja noch betroffen, ein Deutscher und ein Pole. Spielt das eine Rolle?

„Für die meisten spielt das eine Rolle. Ein deutscher Papst wie beim letzten Mal hat eine doppelte Bedeutung. Ein argentinischer Papst ist schon etwas anderes. Aber es gibt Menschen, die den Gegensatz nicht zwischen Europa und Israel sehen, sondern zwischen Judentum und Christentum, und für die ist es egal, ob der Papst aus Argentinien, Nigeria oder aus Europa kommt. Diejenigen, die hier auf Auseinandersetzungen mit dem Christentum setzen, die schauen dem Papst auf die Finger, sie sind kritischer und oft auch gehässiger.“

Papst Franziskus wird der erste Papst sein, der am Grab von Theodor Herzl [der Gründungsgestalt des Zionismus und damit Ideengeber des Staates Israel] Station machen wird, was sagen die Palästinenser hier im Land dazu?

„Für die Palästinenser ist das ein Beweis dafür, dass die westliche Welt überhaupt nicht genügend Unterstützung aufbringt für die palästinensische Sache. Solche Signale sind für die Palästinenser negativ besetzt. Es kommt darauf an, was der Papst aus diesem Besuch am Grab macht.“

Es ist eine sehr symbolische Reise, drei Tage sind nicht sehr viel, aber auch Besuche in Yad Vashem und am Herzl-Grab sind ja sehr symbolisch. Kann das Realität verändern oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

„Die Realität kann der Papst nicht verändern. Die Hauptsache wird wie beim letzten Papst sein, keine Fehler zu machen. Man will das irgendwie über die Bühne bringen. Etwas bewirken kann man nicht. Nicht einmal der amerikanische Präsident kann hier etwas bewirken. Da kann der Papst als Politiker noch weniger bewirken. Aber Fehler kann man machen. Meiner Meinung nach ist nicht das bedeutsam, was wer tut, sondern die Art und Weise, wie die israelische Rechte auf diesen Besuch reagiert. Zum ersten Mal hört man hier Töne, die sehr schroff sind, gegen das Christentum und gegen den Papst. Es geht zum Beispiel um den Zionsberg [den Abendmahlssaal, wo der Papst eine Messe feiern will, Anm.d.Red], das sind Themen die früher nicht auftauchten und jetzt plötzlich aktuell geworden sind. Die israelische Rechte ist jetzt selbstsicher, ist viel mehr an Religion orientiert, ist mehr fundamentalistisch, da lauert eine Gefahr auch für diesen Besuch.“

Ist das aktuell? Wir hören ja seit Monaten von Schmierereien und Vandalismus gegen christliche Einrichtungen in Galiläa und auch hier in Jerusalem, ist das eine Entwicklung oder ist der Papstbesuch der Anlass?

„Das ist eine generelle Tendenz der israelischen Rechten. Die radikalere Rechte sucht die Konfrontation: Mit dem Islam, mit den Muslimen, mit den Arabern selbstverständlich, und auch mit dem Christentum. Armageddon ist für diese Leute die große Hoffnung. Die große Katastrophe kommt und dann haben wir irgendwie die Schlacht gewonnen. Ein Besuch wie der Besuch des Papstes gibt diesen Leuten die Möglichkeit, sich auszutoben und genau das wird passieren.“

Eine positive Note: Was wäre denn etwas, was der Papst bei Israelis und Palästinensern anstoßen könnte? Was wäre Ihr Traum, dass der Papst machen könnte?

„Mein Traum und der Traum der meisten, die wie ich gemäßigt sind, ist dass er etwas sagt, was eher in Richtung Versöhnung geht. Nicht mehr. Man hofft nur, dass er keine Fehler macht und dass es nicht zu einem Zwischenfall kommt.“

Es ist ein kurzer Besuch, der Papst fährt nicht nach Galiläa sondern ist nur hier in Jerusalem, wie nimmt man das in Israel auf?

„Für die Israelis ist es egal, ob er nach Tabgha [am See Genezareth] fährt oder nicht. Ein Besuch in Israel ist ein Besuch in Jerusalem und für die israelische Politik ist es wichtig, dass er einen Besuch in Yad Vashem macht. Wir bringen alle Politiker und auch andere Leute, die Israel besuchen, nach Yad Vashem, um sie zu beeindrucken und zu beeinflussen, vielleicht auch zu erpressen, und das ist für die meisten Israelis die Hauptsache. Wenn er in Yad Vashem war, dann ist die Sache aus israelischer Sicht eigentlich in Ordnung.“

Mir mit meinem deutschen Hintergrund sagt Yad Vashem etwas Bestimmtes, aber was sagt es denn den Israelis heute? Erst kürzlich gab es die Nachricht, dass Shoah und Holocaust auch in den Grundschulen Israels ein Thema sein werden. Muss das neu erklärt werden? Ist das noch präsent in den Köpfen der Menschen hier?

„Yad Vashem ist das A und O des israelischen Kollektivbewusstseins. Wir bauen auf die Zugehörigkeit zu einem Volk der Verfolgten, und auf ewig so. Das ist der Sinn der Politik Israels, das ist auch Israels Alibi in der Politik. Deswegen spielt die Shoah und spielt Yad Vashem so eine enorme Rolle in der israelischen Politik und der israelischen Aufklärungsarbeit. Und deswegen passt auch ein Besuch des Papstes in Yad Vashem hinein in diesen Rahmen.“


Hintergrund
Moshe Zimmermann ist emeritierter Historiker an der Hebrew University of Jerusalem. Er war ab 2005 Teil der Historikerkommission des deutschen Auswärtigen Amtes zur Aufarbeitung der Geschichte des Amtes im Nationalsozialismus, er lehrt als Gastprofessor immer wieder in Deutschland, für seine Arbeit ist er vielfach aufgezeichnet worden.

(rv 25.05.2014 ord)








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