Vor dem Papstbesuch in Israel: „Hauptsache keine Fehler machen“
Papst Franziskus
spricht bei seiner Papstreise viel von Frieden und Versöhnung, von Aufbrüchen. In
Israel sind die Erwartungen vor der Ankunft des Papstes dagegen nicht sehr hoch. Das
Beste, was viele hoffen, ist dass alles gut geht und der Papst keinen politischen
Fehler macht. Erreichen könne er eh nichts. Skeptisch wie die meisten Israelis ist
auch Moshe Zimmermann, Historiker in Jerusalem und über Jahre auch Professor in Deutschland.
Er erläutert die eher pessimistische Sicht Israels auf das, was der Papst bewirken
kann - so gut wie nichts nämlich. Ein Gespräch über die radikale Rechte Israels, über
Fatalismus im Nahen Osten und die Erinnerungspolitik des Staates Israel.
Unser
Korrespondent vor Ort Pater Bernd Hagenkord hat Moshe Zimmermann zuerst gefragt, wie
die Öffentlichkeit Israels den Papstbesuch erwartet.
„Wie die Papstbesuche
bisher auch. Man erwartet, dass der Papst keinen Fehler begeht, dass er Sympathien
für Israel zeigt, dass er nichts allzu Radikales zu Palästina sagt, dass er sich zur
Verantwortung für die Sünden der Europäer bekennt, das heißt auf den Holocaust Bezug
nimmt.“
Wird man eher auf die möglichen Fehler schauen, oder auf das Positive
warten?
„Es gibt Kreise, die darauf lauern, die negativen Seiten zu entdecken.
Auch beim letzten Besuch von Benedikt XVI. in Israel schaute man auf seine Rede in
Yad Vashem [der Holocaust-Gedenkstätte, Anm.d.Red]. Man hat die Rede nicht gut verstanden,
aber summa summarum war es für viele Leute eine Rede, die nicht grundsätzlich genug
war. Das heißt er hat nicht offen zugegeben, dass die Deutschen und die Europäer und
das Christentum Schuld waren am Holocaust. Darauf lauert man hier. Und man ist auch
immer auf der Hut zu sehen, ob der Papst nicht zu viel Sympathie für die Palästinenser
aufbringt.“
Spielt es eine Rolle, dass nun das erste Mal ein Nichteuropäer
Papst ist? Die letzten beiden waren von der Geschichte ihrer Länder und auch persönlich
ja noch betroffen, ein Deutscher und ein Pole. Spielt das eine Rolle?
„Für
die meisten spielt das eine Rolle. Ein deutscher Papst wie beim letzten Mal hat eine
doppelte Bedeutung. Ein argentinischer Papst ist schon etwas anderes. Aber es gibt
Menschen, die den Gegensatz nicht zwischen Europa und Israel sehen, sondern zwischen
Judentum und Christentum, und für die ist es egal, ob der Papst aus Argentinien, Nigeria
oder aus Europa kommt. Diejenigen, die hier auf Auseinandersetzungen mit dem Christentum
setzen, die schauen dem Papst auf die Finger, sie sind kritischer und oft auch gehässiger.“
Papst
Franziskus wird der erste Papst sein, der am Grab von Theodor Herzl [der Gründungsgestalt
des Zionismus und damit Ideengeber des Staates Israel] Station machen wird, was sagen
die Palästinenser hier im Land dazu?
„Für die Palästinenser ist das ein
Beweis dafür, dass die westliche Welt überhaupt nicht genügend Unterstützung aufbringt
für die palästinensische Sache. Solche Signale sind für die Palästinenser negativ
besetzt. Es kommt darauf an, was der Papst aus diesem Besuch am Grab macht.“
Es
ist eine sehr symbolische Reise, drei Tage sind nicht sehr viel, aber auch Besuche
in Yad Vashem und am Herzl-Grab sind ja sehr symbolisch. Kann das Realität verändern
oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
„Die Realität kann der
Papst nicht verändern. Die Hauptsache wird wie beim letzten Papst sein, keine Fehler
zu machen. Man will das irgendwie über die Bühne bringen. Etwas bewirken kann man
nicht. Nicht einmal der amerikanische Präsident kann hier etwas bewirken. Da kann
der Papst als Politiker noch weniger bewirken. Aber Fehler kann man machen. Meiner
Meinung nach ist nicht das bedeutsam, was wer tut, sondern die Art und Weise, wie
die israelische Rechte auf diesen Besuch reagiert. Zum ersten Mal hört man hier Töne,
die sehr schroff sind, gegen das Christentum und gegen den Papst. Es geht zum Beispiel
um den Zionsberg [den Abendmahlssaal, wo der Papst eine Messe feiern will, Anm.d.Red],
das sind Themen die früher nicht auftauchten und jetzt plötzlich aktuell geworden
sind. Die israelische Rechte ist jetzt selbstsicher, ist viel mehr an Religion orientiert,
ist mehr fundamentalistisch, da lauert eine Gefahr auch für diesen Besuch.“
Ist
das aktuell? Wir hören ja seit Monaten von Schmierereien und Vandalismus gegen christliche
Einrichtungen in Galiläa und auch hier in Jerusalem, ist das eine Entwicklung oder
ist der Papstbesuch der Anlass?
„Das ist eine generelle Tendenz der israelischen
Rechten. Die radikalere Rechte sucht die Konfrontation: Mit dem Islam, mit den Muslimen,
mit den Arabern selbstverständlich, und auch mit dem Christentum. Armageddon ist für
diese Leute die große Hoffnung. Die große Katastrophe kommt und dann haben wir irgendwie
die Schlacht gewonnen. Ein Besuch wie der Besuch des Papstes gibt diesen Leuten die
Möglichkeit, sich auszutoben und genau das wird passieren.“
Eine positive
Note: Was wäre denn etwas, was der Papst bei Israelis und Palästinensern anstoßen
könnte? Was wäre Ihr Traum, dass der Papst machen könnte?
„Mein Traum und
der Traum der meisten, die wie ich gemäßigt sind, ist dass er etwas sagt, was eher
in Richtung Versöhnung geht. Nicht mehr. Man hofft nur, dass er keine Fehler macht
und dass es nicht zu einem Zwischenfall kommt.“
Es ist ein kurzer Besuch,
der Papst fährt nicht nach Galiläa sondern ist nur hier in Jerusalem, wie nimmt man
das in Israel auf?
„Für die Israelis ist es egal, ob er nach Tabgha [am
See Genezareth] fährt oder nicht. Ein Besuch in Israel ist ein Besuch in Jerusalem
und für die israelische Politik ist es wichtig, dass er einen Besuch in Yad Vashem
macht. Wir bringen alle Politiker und auch andere Leute, die Israel besuchen, nach
Yad Vashem, um sie zu beeindrucken und zu beeinflussen, vielleicht auch zu erpressen,
und das ist für die meisten Israelis die Hauptsache. Wenn er in Yad Vashem war, dann
ist die Sache aus israelischer Sicht eigentlich in Ordnung.“
Mir mit meinem
deutschen Hintergrund sagt Yad Vashem etwas Bestimmtes, aber was sagt es denn den
Israelis heute? Erst kürzlich gab es die Nachricht, dass Shoah und Holocaust auch
in den Grundschulen Israels ein Thema sein werden. Muss das neu erklärt werden? Ist
das noch präsent in den Köpfen der Menschen hier?
„Yad Vashem ist das A
und O des israelischen Kollektivbewusstseins. Wir bauen auf die Zugehörigkeit zu einem
Volk der Verfolgten, und auf ewig so. Das ist der Sinn der Politik Israels, das ist
auch Israels Alibi in der Politik. Deswegen spielt die Shoah und spielt Yad Vashem
so eine enorme Rolle in der israelischen Politik und der israelischen Aufklärungsarbeit.
Und deswegen passt auch ein Besuch des Papstes in Yad Vashem hinein in diesen Rahmen.“
Hintergrund Moshe
Zimmermann ist emeritierter Historiker an der Hebrew University of Jerusalem. Er war
ab 2005 Teil der Historikerkommission des deutschen Auswärtigen Amtes zur Aufarbeitung
der Geschichte des Amtes im Nationalsozialismus, er lehrt als Gastprofessor immer
wieder in Deutschland, für seine Arbeit ist er vielfach aufgezeichnet worden.