2014-05-25 11:37:20

Papst feiert Messe in Betlehem


RealAudioMP3 Etwa zehntausend Menschen haben an diesem Sonntag mit dem Papst in Betlehem die Messe gefeiert. Es war der wichtigste Termin von Franziskus mit den Christen in Palästina und Israel; in Jerusalem wird er, anders als Benedikt XVI. 2009, keine Freiluft -Messe zelebrieren. In seiner Predigt forderte der Papst dazu auf, die Rechte von Kindern zu achten: So wie der neugeborene Jesus vor 2.000 Jahren in Betlehem ein „Zeichen“ für die Hirten gewesen sei, so sei das Kind auch heute ein Zeichen Gottes für uns. Am Schluss der Messe mischte sich der Ruf eines Muezzins von einer nahegelegenen Moschee in die Gesänge.

Brütende Hitze auf dem „Manger Square“, dem Krippenplatz von Betlehem: Viele Menschen ziehen sich Schals oder Tücher über den Kopf, um sich vor der Sonne zu schützen. Die Menschen kommen in ihrer großen Mehrheit aus Betlehem, Ramallah und Umgebung, aber auch einige Dutzend meist ältere Christen aus dem Gaza-Streifen und Christen aus Galiläa in Nordisrael sind hier, außerdem einige hundert Gastarbeiter aus Asien, für sie gibt es eigens eine Fürbitte in der philippinischen Sprache Tagalog. Die Christen sind bei weitem nicht nur Katholiken, viele Orthodoxe sind gekommen, alle Riten querbeet sind vertreten. In der ersten Reihe der Messbesucher sitzt der (muslimische) Palästinenser-Präsident Abbas; Beifall brandet auf, als er beim Friedensgruß zum Papst geht und ihn umarmt. Die (katholische) Bürgermeisterin Vera Baboun, erste Frau an der Spitze Betlehems, hat in der Sakristei kurz Gelegenheit, Franziskus zu begrüßen.

Auf dem Papst-Podium auch ein Rabbiner

Das Podium des Papstes wird von einem 14x6 Meter großen Gemälde dominiert, das Maria, Josef und das Jesuskind zeigt, alle drei in palästinensischer Tracht; links daneben die drei Päpste, die vor Franziskus das Heilige Land besucht haben, und rechts drei Heilige, die hier besonders verehrt werden, nämlich Franz von Assisi und die zwei Ordensfrauen Carmelina de Beken und Alfonsina, Gründerin der einzigen palästinensischen Ordensgemeinschaft. Über dem Podium: eine Darstellung des Sterns von Betlehem und die Fahnen Palästinas und des Vatikans. Papst Franziskus wirkt ernst, konzentriert. Er hält den Kreuzstab aus Olivenholz, den ihm kurz vor Ostern Insassen eines Gefängnisses im italienischen Sanremo fabriziert haben. Mit ihm zelebrieren Bischöfe verschiedener katholischer Riten, darunter der Lateinische Patriarch Fouad Twal; auch der argentinische Rabbiner Abraham Skorka, Freund des Papstes, ist auf dem Podium zu sehen, er trägt das jüdische Käppchen.

„Ich sehe einen völligen Einklang zwischen Deiner Person, Deiner Art der Amtsführung und des Sprechens und der Botschaft von Betlehem“, sagt Patriarch Twal in einer kleinen Ansprache. „Betlehem, das heißt Einfachheit, Transparenz, Gemeinschaft... Möge Dein Besuch in den Herzen der Menschen die Botschaft von Weihnachten, den Frieden und die Wärme der Grotte von Betlehem wiederbeleben!“

Twal beklagt, „dass der Friede keinen Weg bis zu uns hin findet, dass es ihm nicht gelingt, die Mauern der Angst und des Misstrauens zu überspringen, die diese Stadt umgeben.

Unsere jungen Leute erleben Emigration, Hunger, oft auch die Zerstörung ihrer Wohnung. Mit Dir zusammen, Heiliger Vater, bitten wir heute das Jesuskind, dass es Platz mache in seiner Grotte, um die vielen Kinder mit aufzunehmen, die Opfer der Gewalt und Ungerechtigkeit sind. Wie kann man nicht an die vielen Gefangenen denken und für sie beten, die die Gefängnisse füllen...“ Er meint damit palästinensische Gefangene in israelischen Haftanstalten.

„Sind wir etwa Phrasendrescher oder Frömmler?“

„Welch große Gnade, die Eucharistie an dem Ort zu feiern, wo Jesus geboren ist“, sagt der Papst in seiner Predigt auf Italienisch; am Schluß wird eine arabische Übersetzung verlesen. „Das in Bethlehem geborene Jesuskind ist das Zeichen, das Gott denen gegeben hat, die das Heil erwarteten, und es bleibt für immer das Zeichen der Zärtlichkeit Gottes und seiner Gegenwart in der Welt.“

Auch heutzutage seien die Kinder ein „Zeichen“: Wie sie behandelt würden, das sage viel über die Familie und über die Gesellschaft im allgemeinen. Kinder müssten „vom Mutterschoß an angenommen und geschützt werden“:

„Leider gibt es in dieser Welt, welche die raffiniertesten Technologien entwickelt hat, noch viele Kinder, die unter unmenschlichen Bedingungen an den Peripherien der großen Städte oder in ländlichen Gebieten am Rande der Gesellschaft leben. Viele Kinder werden noch heute ausgebeutet, misshandelt, versklavt, sind Opfer von Gewalt und gesetzeswidrigem Handel. Zu viele Kinder sind heute aus der Heimat vertrieben und auf der Flucht, manchmal in den Meeren untergegangen, besonders in den Fluten des Mittelmeers. Für all das schämen wir uns heute vor Gott – vor Gott, der ein Kind geworden ist.“

Im Duktus und Inhalt der Papstpredigt erinnerte einiges an seine Predigt auf Lampedusa, bei seiner ersten größeren Reise als Papst im Juli 2013; auf der Insel vor Sizilien hatte Franziskus auf das Drama der Bootsflüchtlinge aufmerksam gemacht. Damals wie heute: bohrende Fragen.

„Wir fragen uns: Wer sind wir vor dem Kind Jesus? Wer sind wir vor den Kindern von heute? Sind wir wie Maria und Josef, die Jesus aufnehmen und sich mit mütterlicher und väterlicher Liebe um ihn kümmern? Oder sind wir wie Herodes, der ihn beseitigen will? Sind wir wie die Hirten, die eilends gehen, die niederknien, um ihn anzubeten, und ihre bescheidenen Gaben darbringen? Oder sind wir gleichgültig? Sind wir etwa Phrasendrescher oder Frömmler, Menschen, welche die Bilder der armen Kinder zu Gewinnzwecken ausnutzen? Sind wir fähig, bei ihnen zu sein, ‚Zeit zu verlieren’ mit ihnen? Verstehen wir es, ihnen zuzuhören, sie zu behüten, für sie und mit ihnen zu beten? Oder vernachlässigen wir sie, um uns mit unseren Geschäften zu befassen?“

Papst erinnert an „kleine Sklavenarbeiter“ und Kindersoldaten

Der Papst erinnerte an die Worte, die der Engel im Lukasevangelium zu den Hirten auf den Feldern vor Betlehem sagte: „Dies soll euch als Zeichen dienen. Ihr werdet ein Kind finden…“

„Vielleicht weint jenes Kind; weint, weil es Hunger hat, weil es friert, weil es in den Armen liegen möchte… Auch heute weinen die Kinder, sie weinen viel, und ihr Weinen fragt uns an. In einer Welt, die täglich tonnenweise Nahrungsmittel und Medikamente wegwirft, gibt es Kinder, die vor Hunger oder aufgrund von Krankheiten, die leicht zu heilen wären, vergeblich weinen. In einer Zeit, die den Schutz der Minderjährigen proklamiert, werden Waffen gehandelt, die in den Händen von Kinder-Soldaten landen; werden Produkte gehandelt, die von kleinen Sklavenarbeitern verpackt sind. Ihr Weinen ist unterdrückt: Das Weinen dieser Kinder ist unterdrückt. Sie müssen kämpfen, müssen arbeiten, sie dürfen nicht weinen! Doch um sie weinen die Mütter, Rahel von heute: Sie beweinen ihre Kinder und wollen sich nicht trösten lassen (vgl. Mt 2,18).“

Der Gast aus Rom forderte, nur einen Steinwurf vom Geburtsort des Jesuskinds entfernt, eine neue Wertschätzung für Kinder: einen „neuen Lebensstil, wo die Beziehungen nicht mehr durch Konflikt, Unterdrückung und Konsumismus bestimmt sind, sondern Beziehungen der Brüderlichkeit, der Vergebung und der Versöhnung, des Teilens und der Liebe sind“. Und er vertraute Maria das Heilige Land an, seine Bewohner und die Pilger. Er hoffe, später auch einmal Nazareth zu besuchen, äußerte er. Die vielen Christen in Nordisrael, die seine Reise diesmal nur über den Fernseher erleben, werden sich darüber gefreut haben.

(rv 25.05.2014 sk)








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