„Er macht die Herzen weicher“: Erwartungen an den Papstbesuch
Verschiedene Gruppen,
verschiedene Religionen, verschiedene Erwartungen: Die Papstreise ins Heilige Land
wird aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Unser Korrespondent vor Ort, Pater
Bernd Hagenkord, hat darüber mit Frau Petra Heldt gesprochen, einer Professorin in
Jerusalem und Leiterin eines ökumenischen Forschungsinstitutes.
Werfen Sie
doch bitte einen Blick auf das, was in den kommenden Tagen in Nahen Osten passiert,
nicht nur in Israel, sondern auch in Palästina und in Jordanien. Da kommt jemand von
außen – der Papst – und spricht all die Dinge an, die hier sehr sensibel sind. Es
geht um Flüchtlinge, er wird den Staat Palästina besuchen und das Grab von Theodor
Herzl besuchen, alles heikle Punkte. Wie sieht man das von hier aus?
„Ich
glaube, dass wir hier die jüdische, die muslimische und die christliche Seite unterscheiden
müssen. Von christlicher Seite wird gesagt, dass das wichtigste Ereignis die Begegnung
mit dem Patriarchen Bartholomaios ist. Von hier aus – auch wenn es vielleicht Wunschdenken
ist – sieht man das als einen Schulterschluss zwischen der West- und der Ostkirche,
der in diesem Augenblick sehr wichtig ist, wo die Flüchtlingsströme und die Verfolgung
der Christen im Nahen Osten sehr stark sind.“
Wir würde die muslimische
Perspektive ihrer Erfahrung nach lauten?
„Die muslimische Perspektive sieht,
dass der Papst in ein muslimisches Flüchtlingslager geht und nicht zu sehr die christlichen
Flüchtlinge in den Vordergrund rückt, er zeigt seine Präsenz bei den muslimischen
Flüchtlingen. Das ist ein wichtiges Zeichen und dafür wird er sehr geschätzt. Außerdem
geht der Papst am Montag auf den Tempelberg, am Vortag eines der wichtigsten muslimischen
Feste, nämlich der Himmelfahrt Mohammeds. Und an diesem Tag gemeinsam mit dem Grußmufti
von Jerusalem auf dem Tempelberg zu sein betrachten die Muslime als großes Zeichen.“
Bei
der dritten Seite, die Sie angesprochen haben, der jüdischen, scheint die einzige
Hoffnung die zu sein, dass nichts passiert.
„Von jüdischer Seite kann man
sagen, dass man sich freut, dass der Papst seinen ersten wirklichen Auslandsbesuch
in das Heilige Land macht und nach Israel kommt und damit ein Zeichen setzt, dass
die guten Beziehungen zwischen dem Vatikan und Israel weitere Fortschritte machen
werden.“
Wir haben im Augenblick einen wieder einmal abgebrochenen Friedensprozess,
die Flüchtlinge, die aus Syrien in die südlicheren Länder wie Jordanien drängen: Wie
ist im Augenblick die Stimmung abgesehen vom Papstbesuch, ist das eher eine Gespanntheit
oder schaut man mit Ruhe?
„Es ist eine gespannte Ruhe. Was wir sehen ist,
dass es um Israel herum Aufstände gibt und Bürgerkrieg herrscht zwischen den verschiedenen
muslimischen Gesellschaften. Und dabei werden Christen zerrieben. Und deswegen ist
man sehr beunruhigt und passt genau auf, wie sich die verschiedenen muslimischen politischen
Konstellationen entwickeln. Und trotzdem die Friedensverhandlungen abgebrochen sind
kann man sagen, dass es doch eine gegenseitige Wertschätzung und Informationspolitik
gibt zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Deswegen haben wir in Israel
selber eine relative Ruhe.“
Im Vorfeld ist vom Papst und anderen immer wieder
betont worden, dass es eine religiöse Reise sei, eine Pilgerreise. Aber im Nahen Osten
ist alles politisch, wir würden uns ja etwas vormachen, wenn wir etwas anderes behaupten
würden. Kann das politisch etwas erreichen, was der Papst sagt und tut?
„Ich
glaube schon. Diese Ganze Region ist ja wenn wir es theologisch oder pastoral sagen
dürfen eine Region, die unter Verletzungen leidet. Es ist ein Zeichen der Liebe und
der Versöhnung. Und egal ob man in dieser Region Jude, Muslim oder Christ ist, wird
ein Zeichen der Liebe und der Versöhnung immer aufgenommen. Und ich glaube auch, dass
dieses Versöhnungselement in Hinblick auf die Pollitik eine weitere Folge haben könnte.
Es macht die Leute weicher, die Herzen werden weicher. Wir hoffen, dass man stärker
in die Geschichte hinein geht und anfängt zu lernen. Denn je mehr man hier im Osten
von der Geschichte weiß, desto besser kann man die Entscheidungen treffen, die nötig
sind, und vielleicht Fehler vermeiden.“
Hintergrund Petra
Heldt lebt seit 1979 in Israel. Die ordinierte Pfarrerin doziert an der hiesigen Universität
orientalische Patristik und ist Direktorin der Ökumenischen Forschungsstelle. Außerdem
war sie engagiert in der Einrichtung einer Schule für syrisch-orthodoxe Kinder in
Bethlehem, vom Kindergarten an aufgebaut können Kinder dort ihre Sprache und Kultur
lernen. 1997 überlebte sie einen Bombenanschlag.