Papst an Italiens Bischöfe: „Das gläubige Volk schaut auf uns!“
Jedes Mal, wenn Europas
größte Bischofskonferenz - die italienische nämlich - zusammentritt, hält ihr Vorsitzender
eine Art Rede zur Lage der Nation: Die wird dann von Politik und Medien aufmerksam
analysiert. An diesem Montagabend aber eröffnete zum ersten Mal der Papst die Vollversammlung
der Bischofskonferenz – und hielt eine bemerkenswert unpolitische Ansprache. „Es war
einmal die italienische Bischofskonferenz, die der Politik die Linie diktierte“, kommentiert
die Tageszeitung „La Repubblica“ am Dienstag auf der Titelseite: „Es war einmal, denn
mit dieser Papstrede hat sich alles geändert.“
„Jesus nachfolgen: Das ist das
Wichtigste.“ So brachte es Franziskus gleich in den ersten Worten seiner Ansprache
auf den Punkt. „Eine Tageszeitung hat über das Präsidium der Bischofskonferenz geschrieben:
‚Das hier ist ein Mann des Papstes, dieser hier nicht, das wiederum ist ein Mann des
Papstes...’ Aber diese Bischöfe im Präsidium sind doch alle Männer des Papstes!, um
es mit dieser politischen Wortwahl zu sagen. Wir sollten allerdings die Wortwahl der
Gemeinschaft pflegen. Die Presse denkt sich ja manchmal einiges aus, nicht wahr?“
Er
wolle seine bischöflichen Mitbrüder im Glauben stärken und sie an das Ideal des Guten
Hirten erinnern, so Franziskus. „Das gläubige Volk schaut auf uns. Das Volk schaut
auf uns! Damit wir ihm helfen, das tägliche Allerlei im Licht des Heilsplanes Gottes
zu sehen. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe: den Herrn kennen, in ihm wohnen – und
gleichzeitig im Leben unserer Ortskirchen wohnen, ihre Gesichter, ihre Nöte und ihre
Potentiale kennen.“ Die Bischöfe sollten sich um die Begegnung mit dem auferstandenen
Christus bemühen, sonst blieben ihre Worte und Initiativen „steril“.
„Die
Versuchungen, die den Vorrang Gottes und seines Christus verdunkeln wollen, sind Legion
im Leben eines Hirten: von der Lauheit und Mittelmäßigkeit bis zur Suche nach einem
ruhigen Leben, das ohne Verzicht und Opfer auskommt. Die pastorale Eile ist genauso
eine Versuchung wie ihre hässliche Schwester, die Lustlosigkeit; Versuchungen sind
die Anmaßung, alles selbst und allein zu schaffen, oder das Verfallen in Traurigkeit,
die uns unfähig macht, ins Leben unserer Leute einzutreten und es im Licht des Ostermorgens
zu verstehen.“
Eindringlich mahnte Papst Franziskus die italienischen Bischöfe
zur Einheit. Er erinnerte sie daran, dass schon Paul VI. einmal ihre Vorgänger in
dieser Hinsicht ins Gebet genommen hatte: „Diese Rede wird heute an euch ausgeteilt.
Sie ist ein Edelstein. Als ob sie gestern gehalten worden wäre. Genauso ist es!“ Mangelnde
Einheit sei für ihn „der größte Skandal“, so Franziskus, „die Häresie, die das Antlitz
des Herrn verzerrt“. Sie sollten nicht übermäßig hart sein, nicht ständig herumjammern,
sich nicht nach der Vergangenheit zurücksehnen, sich nicht von Eifersucht oder Ehrgeiz
treiben lassen. Und sie dürften, wenn sie sich träfen, frei reden: „Das ist wichtig
in einer Vollversammlung. Jeder sagt das, was er spürt, den Brüdern ins Gesicht. Das
baut die Kirche auf, das hilft! Ohne Scham, einfach frei heraus...“
„Schrei
nach einem neuen Humanismus“
Der Papst riet den Bischöfen unter anderem
zu einem vertrauensvollen Umgang mit den Laien: „Hört auf die Herde! Habt Vertrauen
zu ihrem Glaubens- und Kirchensinn... Vertraut darauf, dass das heilige Volk Gottes
den Instinkt hat, die richtigen Straßen zu finden. Begleitet großzügig das Wachsen
einer Mitverantwortung der Laien; gebt den Frauen und den jungen Leuten Raum zum Denken,
zu Projekten und zum Handeln.“ „Einfach im Lebensstil“ sollten die Bischöfe sein,
„arm und barmherzig“, „innerlich frei“, „nahe bei den Menschen“. Speziell die Familien,
die Arbeitslosen und die Migranten sollten einen besonderen Platz in ihrem Herzen
haben: An dieser Stelle der Papstrede, gegen Ende, wurde es dann doch noch fast politisch.
„Die schwierige Lage, in der so viele unserer Mitmenschen leben, möge uns
aufmerksam und voller Anteilnahme finden! Wir müssen bereit sein, ein Entwicklungsmodell
in Frage zu stellen, das die Schöpfung ausbeutet, die Menschen auf dem Altar des Profits
opfert und neue Formen der Ausschließung produziert. Eine Gesellschaft ohne Hoffnung,
die viele ihrer Grundüberzeugungen verloren hat, schreit nach einem neuen Humanismus!
Die Krise ist mehr kulturell, moralisch und geistlich als wirtschaftlich.“
„Die
Kirche von Franziskus lässt nicht die Muskeln spielen“, so kommentiert „La Repubblica“,
„sie bemüht sich um keine Privilegien in den Beziehungen zur Macht... Wie fern sind
die Zeiten, als Italiens Kirche 1985, sieben Jahre nach der Wahl von Johannes Paul
II., auf dem Treffen von Loreto ihre bisherige ‚religiöse Wahl’ hintanstellte. Mit
Franziskus kommt jetzt die spirituellere, religiösere Perspektive wieder. Der Papst
bittet die Kirche nicht in erster Linie, Schlachten zu ethisch sensiblen Themen zu
schlagen.“