Papst: „Bin der Ukraine und dem Nahen Osten im Gebet nahe“
Papst Franziskus hat
sich an diesem Montagmittag im Vatikan mit Lehrern und Studenten der römischen Priesterseminare
getroffen. Dabei hielt er keine vorbereitete Rede, sondern antwortete auf Fragen.
Zu Priesteramtskandidaten, die aus der Ukraine bzw. aus dem Nahen Osten kommen, sagte
er:
„Ich bin euch sehr nahe in diesem Moment des Leidens – wirklich sehr,
sehr nahe, auch im Gebet. So viele Christen leiden, in einigen Teilen der Welt wird
sie auch verfolgt; ich bin euch nahe!“
Eine der ersten Fragen zielte auf
die Priesterausbildung. In seiner Antwort warnte Franziskus vor „der Gefahr des Akademismus“:
„Die Bischöfe schicken euch nach Rom, damit ihr einen Abschluss macht, aber danach
sollt ihr zurück ins Bistum zurückgehen, als Pfarrer!“
„Es gibt vier Pfeiler
bei der Priesterausbildung: die geistliche, die akademische, die gemeinschaftliche
und die apostolische. Es ist normal, dass man hier in Rom besonderen Wert auf die
intellektuelle Ausbildung legt, dazu seid ihr ja hierher geschickt worden; aber dabei
darf man nicht die anderen drei Pfeiler vernachlässigen, und alle vier Bereiche hängen
miteinander zusammen. Ich kann es nicht nachvollziehen, wenn ein Priester zum Studium
nach Rom kommt und kein Gemeinschaftsleben hat – das geht nicht! Oder kein geistliches
Leben, keine tägliche Messe, kein Gebet... oder das apostolische Leben.“
Akademischer
„Purismus“ tue nicht gut, so der Papst.
„Der Herr hat euch zu Priestern
berufen – das ist das Wesentliche. Wenn man nur den akademischen Teil beachtet, dann
rutscht man schnell in die Ideologien, und das macht krank. Es lässt auch das eigene
Kirchenbild verrutschen. Um die Kirche zu verstehen, braucht man nicht nur Studium,
sondern auch Gebet, Gemeinschaftsleben und apostolisches Leben. Wenn wir in die Ideologie
abrutschen, dann haben wir ein ideologisches Kirchenbild – und das ist eine Krankheit.“
In
der Priesterausbildung sei der gemeinsame Alltag im Priesterseminar „sehr wichtig“,
fuhr der Papst fort. Dabei sollten sich die angehenden Geistlichen vor Tratsch hüten
und stattdessen immer offen miteinander umgehen. Kontroverse Diskussionen sollten
sich an der Suche nach der Wahrheit und der Einheit orientieren, empfahl Franziskus
weiter. Und wenn man einmal mit einer Person überhaupt nicht zurechtkomme, solle man
für diese beten. Das Gebet, insbesondere das Gebet zur Gottesmutter Maria, solle auch
am Ende eines jeden Tages stehen – innerhalb der christlichen Wachsamkeit sei dieses
ein wichtiges Mittel der „discussio conscientiae“, der Gewissensbefragung, des „Verstehens
in Frieden“. Franziskus:
„Wachsam sein bedeutet nicht, in den Foltersaal
zu gehen, nein, nein! Es bedeutet, das Herz anzusehen. Wir müssen Herren unseres Herzens
sein. Was fühlt mein Herz, was sucht es? Was hat mich heute glücklich gemacht und
was nicht? Beendet den Tag nicht ohne dies. (…) Das ist Wachsamkeit. Auch über die
Bedrücktheit und den Enthusiasmus wachen. (…) Das ist keine sterile Innenschau, nein,
nein, nein! Das bedeutet, den Zustand meines Herzens und mein Leben zu kennen, die
Weise, wie ich den Weg des Herrn gehe. Das Herz zu betrachten war die Weisheit der
ersten christlichen Mönche.“
Auf die Frage eines philippinischen Seminaristen
nach einem angemessenen Führungsstil in der Kirche sprach der Papst ein Lob an Kardinal
Luis Antonio Tagle von Manila aus: Dieser sei ein „großer Kommunikator“, merkte Franziskus
an. Dann führte er aus, was zu einem guten „Leadership“ in der Kirche gehöre:
„Beim
Leadership gibt es nur einen Weg: den Dienst. Es gibt keinen anderen. Wenn du viele
Qualitäten hast, zum Beispiel die Kommunikation, aber kein Diener bist, fällt dein
Leadership in sich zusammen, es bringt nichts, es ist nicht in der Lage, (die Leute,
Anm.) zusammenzubringen.“
Dienen bedeute dabei „viele Male, den Willen
der anderen zu tun“, fügte Franziskus an, es bedeute „Nähe (zum Volk, Anm.), Demut,
Armut und Opfer“. Ein Hirte „muss immer seinem Volk zu Diensten sein, muss ihm helfen
zu gehen und zu wachsen“, so Franziskus. Ein guter Priester müsse eine Kultur der
Begegnung pflegen und solle sich nicht davor fürchten, an die Peripherien der Welt
zu gehen. Erneut warnte der Papst hier vor dem geldsüchtigen „Geschäftemacher-Priester“
und dem eitlen „Prinzen-Priester“, die er bereits auch in einigen seiner Morgenpredigten
thematisiert hatte.
Nach der Neuevangelisierung befragt, betonte der Papst
erneut eine Bewegung, die er auch in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“
beschreibt: das Aus-sich-selbst-Hinausgehen:
„Die Evangelisierung beinhaltet
das Aus-sich-selbst-Hinausgehen, die Dimension des Transzendenten: Das Transzendente
in der Verehrung Gottes, in der Kontemplation und dem Hinausgehen zu den Brüdern,
zu den Leuten. Hinausgehen aus etwas, hinausgehen! Das ist für mich der Kern der Evangelisierung!
Und Hinausgehen bedeutet ankommen, also Nähe. Wenn du nicht aus dir selbst hinausgehst,
wirst du nie Nähe haben, oder? (…) Ohne Nähe kann man nicht evangelisieren. (…) Das
Problem der langweiligen Predigten ist, dass es keine Nähe gibt. Gerade an der Predigt
kann man die Nähe eines Hirten zu seinem Volk ablesen. (…) Im Bereich der Predigt
müssen wir, um gut zu evangelisieren, ziemlich vorangehen, da hinken wir hinterher.
Das ist ein Aspekt der Umkehr, die die Kirche heute braucht: die Predigten besser
machen, damit das Volk versteht.“
Der Papst empfahl hier den Geistlichen,
„kurze“, aber „starke“ Predigten zu halten: „Eine Predigt, die mehr als acht, zehn
Minuten dauert, ist nicht richtig.“ Und er unterstrich die besondere geistliche Charakteristik
dieser Form der Verkündigung: eine Predigt sei schließlich „keine Schule“ und auch
„keine Konferenz“.