2014-05-05 15:13:06

Antifolterkonvention: Vatikanstaat und weltweite Verantwortung unterscheiden


RealAudioMP3 Der Heilige Stuhl erkennt die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen als „gültiges und angemessenes Instrument gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlungen oder Strafen“ an. Das hat Erzbischof Silvano Tomasi an diesem Montag vor der UNO in Genf unterstrichen. Das UN-Komitee gegen Folter hatte am Morgen den ersten Rechenschaftsbericht des Heiligen Stuhles über die Anwendung der Antifolterkonvention erörtert. Tomasi stellte den Bericht als Vatikanvertreter vor.

Der Vatikan war der Antifolterkonvention 2002 beigetreten, und zwar für den Vatikanstaat. Kritiker hatten dem Heiligen Stuhl vor diesem Hintergrund eine einengende Auslegung der Antifolterkonvention vorgeworfen. Dazu sagte Erzbischof Tomasi an diesem Montagmittag im Interview mit Radio Vatikan:

„Man muss eine wichtige juristische Unterscheidung beachten – die Verantwortung des Heiligen Stuhles gegenüber dem Vatikanstaat, für den dieser die Konvention unterzeichnet hat, und die moralische Rolle des Heiligen Stuhles gegenüber allen, die sich katholisch nennen. Das sind zwei unterschiedliche Dinge: die gesetzliche Jurisdiktion und andererseits eine moralische Verantwortung.“

Wie sich diese moralische Verantwortung des Heiligen Stuhles in den jeweiligen Ländern, in denen die katholische Weltkirche vertreten ist, in Strafverfolgung und Opferschutz übersetzen lässt – über diese Frage gibt es freilich unterschiedliche Ansichten. Für den Heiligen Stuhl gilt grundsätzlich: Wenn eine Straftat außerhalb des Vatikanstaates begangen wird, ist die jeweilige nationale Rechtsprechung zuständig. Der Heilige Stuhl besitze keine Gerichtsbarkeit über „jedes Mitglied der katholischen Kirche“.

„Der Heilige Stuhl ist wie jeder andere Staat dazu angehalten, dem Text der Konvention zu folgen, die er ratifiziert hat. Die Interpretationen sind Interpretationen der Experten. Sie sind nützlich, um eine Vorstellung davon zu geben, wie man sich bei der Implementierung der Konvention bewegen muss. Sie sind aber nicht verpflichtend und widersprechen sich teilweise auch. Man muss also mit Vorsicht und Umsicht mit diesen Interpretationen umgehen und vor allem verhindern, dass Bürokratie – mit all ihrem guten Willen – den demokratischen Entscheidungsprozess der jeweiligen Staaten ersetzt.“

Der Präsident des UN-Komitees, der chilenische Professor Claudio Grossman, hatte in seinen Ausführungen an den historischen Beitrag des Christentums zur Wahrung der Menschenrechte und den weltweiten Einsatz des Heiligen Stuhles gegen Gewalt hervorgehoben. Explizit nannte Grossman den Kampf des argentinischen Papstes gegen Menschenhandel und die neue vatikanische Kinderschutzkommission, die in der vergangenen Woche ihre Arbeit aufnahm. Wohl auch vor Hintergrund der Tatsache, dass der Heilige Stuhl im Kontext der Antifolterkonvention immer wieder auf Kindesmissbrauch angesprochen wird, erinnerte Erzbischof Tomasi an diesem Montag noch einmal an die großen Fortschritte des Heiligen Stuhls in diesem Feld:

„Man muss die Maßnahmen beachten, die in den letzten zehn Jahren sowohl vom Heiligen Stuhl als auch von den Bischofskonferenzen ergriffen wurden, um Missbrauch Minderjähriger zuvorzukommen und den Opfern dieser Verbrechen zu helfen.“

Tomasi nannte die katholische Kirche weiter „eine der effektivsten moralischen Stimmen der Welt für die Menschenrechte“. Mit seinen Verlautbarungen und der weltweiten Präsenz seiner Medien setze sich der Heilige Stuhl gegen Folter und unmenschliche Strafen ein. Zudem verwies er auf erst 2013 erfolgte Anpassungen des Strafrechts im Vatikanstaat. Diese seien eine „direkte Folge des Beitritts des Heiligen Stuhls zur Antifolterkonvention“, so der Leiter der vatikanischen Delegation.

Die Atmosphäre am ersten Sitzungstag bei der UNO beschrieb Tomasi als „offen“. Der Heilige Stuhl sei an einem „konstruktiven Dialog“ und keiner „Konfrontation“ auf Grundlage falscher Informationen interessiert, bekräftigte der Erzbischof. Der Heilige Stuhl hatte im Vorfeld der Anhörung vor dem UN-Komitee über den „ideologischen Druck“ einzelner Nichtregierungsorganisationen geklagt, die das Thema Kindesmissbrauch in die Diskussion über Anti-Folter-Standards im Vatikan eingestreut und damit für Verwirrung gesorgt hätten. Für den Vatikan steht der Kinderschutz auf einem gesonderten, wenn auch nicht minder wichtigen Blatt: Der Heilige Stuhl war der UN-Konvention über Kinderrechte 1990 beigetreten.



Abschlussbericht des UN-Komitees am 23. Mai


Die Anhörung zum ersten Rechenschaftsbericht des Heiligen Stuhles über die Anwendung der Antifolterkonvention wird am Dienstag fortgesetzt. Dabei hat Vatikandelegation am Nachmittag Gelegenheit, die an diesem Montag vorgebrachten Fragen des UN-Komitees zu beantworten. Die abschließenden Beobachtungen des UN-Gremiums zum Vatikanbericht werden dann am 23. Mai vorgestellt.

(rv 05.05.2014 pr)








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