Antifolterkonvention: Vatikanstaat und weltweite Verantwortung unterscheiden
Der Heilige Stuhl
erkennt die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen als „gültiges und angemessenes
Instrument gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlungen
oder Strafen“ an. Das hat Erzbischof Silvano Tomasi an diesem Montag vor der UNO
in Genf unterstrichen. Das UN-Komitee gegen Folter hatte am Morgen den ersten Rechenschaftsbericht
des Heiligen Stuhles über die Anwendung der Antifolterkonvention erörtert. Tomasi
stellte den Bericht als Vatikanvertreter vor.
Der Vatikan war der Antifolterkonvention
2002 beigetreten, und zwar für den Vatikanstaat. Kritiker hatten dem Heiligen Stuhl
vor diesem Hintergrund eine einengende Auslegung der Antifolterkonvention vorgeworfen.
Dazu sagte Erzbischof Tomasi an diesem Montagmittag im Interview mit Radio Vatikan:
„Man
muss eine wichtige juristische Unterscheidung beachten – die Verantwortung des Heiligen
Stuhles gegenüber dem Vatikanstaat, für den dieser die Konvention unterzeichnet hat,
und die moralische Rolle des Heiligen Stuhles gegenüber allen, die sich katholisch
nennen. Das sind zwei unterschiedliche Dinge: die gesetzliche Jurisdiktion und andererseits
eine moralische Verantwortung.“
Wie sich diese moralische Verantwortung
des Heiligen Stuhles in den jeweiligen Ländern, in denen die katholische Weltkirche
vertreten ist, in Strafverfolgung und Opferschutz übersetzen lässt – über diese Frage
gibt es freilich unterschiedliche Ansichten. Für den Heiligen Stuhl gilt grundsätzlich:
Wenn eine Straftat außerhalb des Vatikanstaates begangen wird, ist die jeweilige nationale
Rechtsprechung zuständig. Der Heilige Stuhl besitze keine Gerichtsbarkeit über „jedes
Mitglied der katholischen Kirche“.
„Der Heilige Stuhl ist wie jeder andere
Staat dazu angehalten, dem Text der Konvention zu folgen, die er ratifiziert hat.
Die Interpretationen sind Interpretationen der Experten. Sie sind nützlich, um eine
Vorstellung davon zu geben, wie man sich bei der Implementierung der Konvention bewegen
muss. Sie sind aber nicht verpflichtend und widersprechen sich teilweise auch. Man
muss also mit Vorsicht und Umsicht mit diesen Interpretationen umgehen und vor allem
verhindern, dass Bürokratie – mit all ihrem guten Willen – den demokratischen Entscheidungsprozess
der jeweiligen Staaten ersetzt.“
Der Präsident des UN-Komitees, der chilenische
Professor Claudio Grossman, hatte in seinen Ausführungen an den historischen Beitrag
des Christentums zur Wahrung der Menschenrechte und den weltweiten Einsatz des Heiligen
Stuhles gegen Gewalt hervorgehoben. Explizit nannte Grossman den Kampf des argentinischen
Papstes gegen Menschenhandel und die neue vatikanische Kinderschutzkommission, die
in der vergangenen Woche ihre Arbeit aufnahm. Wohl auch vor Hintergrund der Tatsache,
dass der Heilige Stuhl im Kontext der Antifolterkonvention immer wieder auf Kindesmissbrauch
angesprochen wird, erinnerte Erzbischof Tomasi an diesem Montag noch einmal an die
großen Fortschritte des Heiligen Stuhls in diesem Feld:
„Man muss die Maßnahmen
beachten, die in den letzten zehn Jahren sowohl vom Heiligen Stuhl als auch von den
Bischofskonferenzen ergriffen wurden, um Missbrauch Minderjähriger zuvorzukommen und
den Opfern dieser Verbrechen zu helfen.“
Tomasi nannte die katholische
Kirche weiter „eine der effektivsten moralischen Stimmen der Welt für die Menschenrechte“.
Mit seinen Verlautbarungen und der weltweiten Präsenz seiner Medien setze sich der
Heilige Stuhl gegen Folter und unmenschliche Strafen ein. Zudem verwies er auf erst
2013 erfolgte Anpassungen des Strafrechts im Vatikanstaat. Diese seien eine „direkte
Folge des Beitritts des Heiligen Stuhls zur Antifolterkonvention“, so der Leiter der
vatikanischen Delegation.
Die Atmosphäre am ersten Sitzungstag bei der UNO
beschrieb Tomasi als „offen“. Der Heilige Stuhl sei an einem „konstruktiven Dialog“
und keiner „Konfrontation“ auf Grundlage falscher Informationen interessiert, bekräftigte
der Erzbischof. Der Heilige Stuhl hatte im Vorfeld der Anhörung vor dem UN-Komitee
über den „ideologischen Druck“ einzelner Nichtregierungsorganisationen geklagt, die
das Thema Kindesmissbrauch in die Diskussion über Anti-Folter-Standards im Vatikan
eingestreut und damit für Verwirrung gesorgt hätten. Für den Vatikan steht der Kinderschutz
auf einem gesonderten, wenn auch nicht minder wichtigen Blatt: Der Heilige Stuhl war
der UN-Konvention über Kinderrechte 1990 beigetreten.
Abschlussbericht
des UN-Komitees am 23. Mai
Die Anhörung zum ersten Rechenschaftsbericht
des Heiligen Stuhles über die Anwendung der Antifolterkonvention wird am Dienstag
fortgesetzt. Dabei hat Vatikandelegation am Nachmittag Gelegenheit, die an diesem
Montag vorgebrachten Fragen des UN-Komitees zu beantworten. Die abschließenden Beobachtungen
des UN-Gremiums zum Vatikanbericht werden dann am 23. Mai vorgestellt.