Gelassenheit - Entspannung mit Papst Johannes XXIII.
Die zehn Gebote der
Gelassenheit heißen die zehn Leitsätze, die Papst Johannes XXIII. vor wohl etwa 100
Jahren aufgeschrieben hat. Diese unkomplizierte Lebensphilosophie ist noch heute weit
verbreitet: Therapeuten, Selbsthilfegruppen und Seelsorger arbeiten damals wie heute
mit diesen Grundsätzen. Es geht vor allem darum zu lernen, sich und seine Umwelt bewusst
wahrzunehmen und bewusst in der Gegenwart, im Hier und Jetzt, zu leben.
„Denken
wir an das Heute und überlassen wir uns dem Herrn, was den morgigen Tag angeht.“ -
Das ist Gelassenheit nach Angelo Giuseppe Roncalli: Der spätere Papst Johannes XXIII
hat der Welt mit seinen zehn Leitsätzen ein modernes Erbe hinterlassen. Der Franziskanermönch
Helmut Schlegel ist Leiter des Heilig Kreuz–Zentrums für christliche Meditation und
Spiritualität in Frankfurt am Main. Die zehn Gebote der Gelassenheit sind Teil seiner
Arbeit. Er weiß, warum das Thema für Johannes XXIII. so wichtig war:
„Gerade
Gelassenheit war für ihn etwas, das er sich erarbeiten musste. Das war er nicht von
Natur aus, also er war nicht einfach so der liebevolle Mensch, den wir als Papst Johannes
XXIII. kennen, er hat schon auch mit seiner Persönlichkeit gerungen. Und deswegen
hat er sich diese Grundsätze in die Seele geschrieben. Also jetzt nicht die Gelassenheit
schlechthin, sondern zu sagen: Heute nehme ich mir das vor, und nur heute, das reicht.
Morgen ist es vielleicht wieder ganz anders.“
Die zehn Gebote
der Gelassenheit seien kein verschultes Jahres- oder Lebensprogramm. „Roncalli kam
es auf die geistliche Spur der kleinen Schritte an“, sagt Schlegel. Für ihn ist der
erste Leitsatz der wichtigste und aktuellste:
„,Heute, nur heute, werde
ich mich bemühen, den Tag zu leben ohne die Probleme meines Lebens auf einmal lösen
zu wollen.‘ – Sich zu beschränken auf das Jetzt, auf die Gegenwart, zu sagen: Heute
ist genug. Überhaupt im Gegenwärtigen zu leben, in der Präsenz zu leben. Das ist auch
etwas, was Menschen so fasziniert, weil sie gleichzeitig sowohl von ihrer Vergangenheit
eingeholt werden, als auch eine weite Planung in die Zukunft machen müssen.“
Das
sei einer der Gründe, warum die Gelassenheits-Grundsätze von vor ungefähr 100 Jahren
immer noch so modern und aktuell seien. Schlegel:
„Ich denke mir, zum
einen ist es ja so, dass Menschen heute unter dem Gegenteil, unter dem Getriebensein
leiden und natürlich im Stillen eine Sehnsucht in sich tragen, doch gelassen sein
zu können.“
Genauso wie es Johannes XXIII. am eigenen Leib erfahren
hat, ist auch Schlegel der Überzeugung: Gelassenheit kommt nicht auf Knopfdruck und
fällt auch nicht vom Himmel. Gelassenheit braucht Training, spirituelle Übung:
„Das
geistliche Leben ist für Johannes nicht etwas Hochfliegendes, sondern Alltagsbrot.
Es kommt darauf an, alltägliche Dinge in den Blick zu nehmen, also Umgang mit Menschen,
mit sich selbst, kommunikative Fragen, Arbeitsstil, Planung. Die Aufgabe, die jetzt
auf dem Tisch liegt: damit gut umzugehen, darauf kommt es in diesen Leitsätzen an.“
Streng genommen ist Johannes XXIII. übrigens gar nicht selbst
auf die Idee mit den zehn Geboten der Gelassenheit gekommen: Man geht davon aus, dass
er damals eine Vorlage hatte. Eine englischsprachige Ordensschwester, eine Lehrerin,
soll sich die Leitsätze der Gelassenheit für ihren Unterricht überlegt und dann an
ihre Schüler verteilt haben.