Nach dem Papst-Attentat: Der Sanitäter erinnert sich
Der 13. Mai 1981 ist
in die Geschichte eingegangen: als der Tag des Attentats auf Papst Johannes Paul II.
Um exakt 17.17 trafen den - nun bald heiligen Papst - zwei Schüsse aus Mehmet Ali
Agcas halbautomatischer Browning-Pistole. Johannes Paul hatte gerade mit seiner Generalaudienz
auf dem Petersplatz begonnen; er stürzte, stützte sich auf den halboffenen Jeep, das
Gesicht schmerzverzerrt. Angst und Schrecken verbreiteten sich unter den Menschen
auf dem Petersplatz. Mit Höchstgeschwindigkeit wurde der damals 60-jährige Papst in
die Gemelli-Klinik gebracht. Die Erstversorgung im Vatikan übernahmen der Chirurg
Enrico Fedele sowie Leonardo Porzia: Das war der Sanitäter, der dem schwerverletzten
Papst zur Seite stand, bis er in der Gemelli-Klinik ankam. „An diesem Tag war
ich im Dienst für die chirurgische Klinik. Wir waren mit dem Notdienst vom Petersplatz
verbunden. Plötzlich hörte ich: ‚Sie haben den Papst angeschossen! Er kommt über den
Eingang Glockentor zur Notaufnahme.‘ Sofort habe ich Professor Fedele informiert;
er war der diensthabende Chirurg. Alle, auch andere Ärzte, rannten auf die Straße
…da kam der Jeep mit dem Heiligen Vater.“
Leonardo Porzia erzählt im Gespräch
mit Radio Vatikan, wie sich dieser Moment anfühlte. Das ganze Ambulatorium habe unter
Schock gestanden: „Oh mein Gott, sie haben den Papst angeschossen“, hallte es aus
allen Ecken. Porzia war der erste, der ihn behandelte.
„Der Rettungswagen
war neben dem Jeep. Ich zog die Trage heraus, umarmte den Papst und hob ihn aus dem
Jeep auf die Trage. Der Chirurg betrachtete die Verletzungen. Die Art und das Ausmaß
der Verletzungen war entscheidend darüber, ob man ihn ins Krankenhaus Santo Spirito
oder in die Gemelli-Klinik bringen würde. Mit Verbandsmull tupfte ich seine Wunde
ab.“
Die Sanitäter mussten aber noch auf einen anderen Krankenwagen des
Vatikans warten, der besser ausgestattet war, erzählt Porzia. In diesem Krankenwagen
befanden sich sechs oder sieben Leute, als sie losfuhren: der Fahrer, der Kammerdiener
von Papst Johannes Paul, Angelo Gugel, der Chefarzt Buzzonetti, der Chef des FAS (Gesundheitssystem
des Vatikans), der Chirurg - und schließlich Porzio selbst.
„Wir fuhren
durch das Annator über die Piazza del Risorgimento und schließlich auf eine Landstraße,
die zur Klinik führte. Plötzlich, auf der Via Pereira, erstarb die Sirene. Wir standen
unter Schock, denn wir hatten keinerlei Eskorte. Mit Hilfe der Hupe schafften wir
es schließlich zur Gemelli-Klinik.”
Wegen eines Missverständnisses hatte
die Eskorte an einer anderen Ausfahrt des Vatikans gewartet. Während der Fahrt soll
Papst Johannes Paul II. bei Bewusstsein gewesen sein; er sprach jedoch kein Wort.
Stattdessen betete er die ganze Fahrt lang im Stillen, erzählt Leonardo Porzio. „Ich
habe den Papst in den Arm genommen”
Eine Viertelstunde
dauerte die Fahrt, so der Sanitäter. Ein weiteres Missgeschick passierte, als der
Fahrer gegen die Richtung einer Einbahnstraße fuhr und einem entgegenkommenden Auto
ausweichen musste. Zur selben Zeit bereitete Porzio eine Infusion für den Papst vor.
Er verletzte aber bei der holprigen Fahrt sich selbst und stach sich in den Finger.
Als sie im Krankenhaus ankamen, musste er den angeschossenen Papst auch noch alleine
zum Lift tragen, denn der OP-Saal war nicht, wie angenommen, im Reanimationszentrum. „Dann
kommt der Gegenbefehl: Wir müssen in den 9. Stock. Dort war der OP-Saal. Also, was
machst du? Alleine, wie ein Verrückter, habe ich ihn zum Lift getragen, circa hundert
Meter.“ Die Operation des Papstes dauerte fünf Stunden. Eine der Kugeln war
in den Bauchraum eingeschlagen, doch sie hatte außer dem Darm kein wichtiges Organ
und keine großen Blutgefäße getroffen und auch die Wirbelsäule verfehlt. Ein Abschnitt
des Darms musste entfernt werden; Papst Johannes Paul II. überlebte.
Bei den
späteren ärztlichen Kontrollen im Vatikan hat er den Papst auch nach dem Attentat
immer wieder getroffen, berichtet Porzio, und am Heiligen Abend desselben Jahres 1981
habe ihn der Papst sogar in einem Vorzimmer der Sixtinischen Kapelle empfangen, um
sich bei ihm und dem Chirurgen zu bedanken. Bis zum Schluss sei ihm der Papst als
ein Mensch erschienen, der vom Herrn geführt wurde. „Ich bin stolz, dass ich
das gemacht habe. Ich habe den Papst in den Arm genommen. Ich habe es geschafft, meine
Pflicht zu erfüllen, und habe alles Notwenige getan!“