Dass Päpste auch Heilige sind, ist in der Kirchengeschichte eher die Ausnahme als
die Regel gewesen. Umso mehr fällt auf, dass am nächsten Sonntag gleich zwei Päpste
der Neuzeit die Aufnahme ins Heiligenregister der Kirche gelingen wird. Warum waren
Angelo Giuseppe Roncalli und Karol Wojtyla eigentlich heilig? Die Antwort darauf kennen
der Franziskanerpater Giovangiuseppe Califano und der polnische Priester Slawomir
Oder am besten: Die beiden waren die Anwälte (lateinisch: Postulatoren) der zwei Päpste
in ihren – getrennten – Heiligsprechungs-Verfahren. Jetzt stellten sie sich in Rom
der Presse. Dabei sagte Califano über ‚seinen’ Papst Johannes:
„Schon als
junger Seminarist schrieb er im Alter von fünfzehn Jahren: ‚Ich erneuere meinen Vorsatz,
wirklich ein Heiliger zu werden, und ich werde das durch vier Entschlüsse tun, die
ich ins Werk setzen werde: einen Geist der Einheit mit Jesus, Sammlung in seinem Herzen,
Beten des Rosenkranzes, und bei allem, was ich tue, meiner selbst bewusst sein.“
Heiligkeit
als Wille und Vorstellung: Pater Califano zeichnet Angelo Giuseppe Roncalli, den Papst
des Zweiten Vatikanischen Konzils, als demütigen, einfachen Menschen, der sich ganz
der göttlichen Barmherzigkeit überlassen habe. Gott sei alles, er selbst sei nichts,
habe der Papst sich jeden Abend vorgesagt.
„Er hat der Kirche neue Horizonte
eröffnet, indem er eine Synode für das Bistum Rom und schließlich das Ökumenische
Konzil einberufen hat. Er war in der Lage, einfach und direkt zu kommunizieren, mit
Metaphern aus dem täglichen Leben, und fand dadurch gleich einen Zugang zum Herzen
der Menschen.“
‚Papa buono’ nannten die Italiener Papst Johannes schon
zu Lebzeiten, und gleich nach seinem Tod 1963 setzte für ihn Verehrung ein. Aber Pater
Califano findet, man solle das mit dem ‚guten Papst’ (oder: ‚Papst der Güte’) nicht
übertreiben.
„Das war kein allgemeines, angewandtes Gutmenschentum, sondern
ein Synonym für Liebe, für pastorales Genie, für Verständnis, Vergebung, Trost – in
der Praxis also so, wie Jesus im Evangelium erscheint.“
Die „Wurzel der
Heiligkeit“ von Johannes XXIII. finde sich „in der evangeliumsgemäßen Treue zur Stimme
seines Herrn“, formuliert sein Anwalt. Einen anderen Akzent setzte der polnische Priester
Stanislaw Oder, Postulator im Verfahren für seinen Landsmann Johannes Paul II. Karol
Wojtyla habe schon in seiner Kindheit und Jugend seine ganze Familie verloren, das
habe ihn tief geprägt:
„Vielleicht kommt sein starker Einsatz für das Leben
und für die Nächstenliebe von dort her. Das war es, was die Menschen als Züge der
Heiligkeit in seinem Leben wahrnahmen.“
Schon die Studienkollegen des künftigen
Papstes hätten ihm an seine Tür die Worte ‚Zukünftiger Heiliger’ geschrieben. Von
seinem Vater und von dem Erzbischof, der ihn ins Priesterseminar aufnahm, habe Wojtyla
einen marianisch gefärbten, „einfachen Volksglauben“ übernommen, und hier liege auch
eine starke Ähnlichkeit zu seinem Mit-Heiligen Johannes XXIII. Wie der Italiener Roncalli
habe auch der Pole Wojtyla Einfachheit und Zugehen auf die Menschen mit einem gerüttelt
Maß Hartnäckigkeit verbunden:
„Er brauchte die Menschen, die lebendige,
einfache Kirche, aus dieser Art des Glaubens bezog er seine Kraft. Und seine mystische
Tiefe brachte Johannes Paul dazu, das Geheimnis Gottes nahezu am eigenen Leib zu durchleben.
Hier ist das Herz seiner Heiligkeit. Wenn wir einen Heiligen definieren sollten, dann
würden wir wohl sagen: ein Mann Gottes. Johannes Paul war ein Mann, der in Gott die
Quelle des Lebens zu finden wusste. Das Gebet war für ihn wie atmen, Wasser trinken,
das tägliche Brot.“
In den Skandal um den Gründer der Legionäre Christi,
Marcial Maciel Degollado, sei Johannes Paul II. in keiner Weise verstrickt gewesen,
versicherte Oder. Alle entsprechenden Dokumente seien geprüft worden. Der Postulator
wandte sich auch gegen die Behauptung, der frühere Erzbischof von Mailand, Kardinal
Carlo Maria Martini, habe im Rahmen des Kanonisierungsverfahrens Vorbehalte gegen
die Heiligsprechung von Johannes Paul geäußert.