2014-04-14 12:31:41

„In Griechenland kann man nicht mehr leben“


RealAudioMP3 Geht es in Griechenland allmählich wieder aufwärts? Athen konnte nach langer Unterbrechung wieder eine Anleihe am internationalen Kapitalmarkt platzieren, und Angela Merkel sprach in einem vollkommen abgeriegelten Regierungsviertel von Athen einige aufmunternde Worte. Aber die Krise ist natürlich nicht plötzlich weg – sagt der katholische Erzbischof von Athen, Nicolaos Foscolos, im Interview mit Radio Vatikan.

„Nun, für die Leute geht das Leben hier leider weiter wie vorher, das hat sich nicht irgendwie geändert. Eine kleine Hoffnung gibt es allerdings, und zwar ist die Arbeitslosenquote seit Jahresende 2013 leicht gesunken, von 27 bis 28 Prozent auf derzeit 26 Prozent. Allerdings muss man sich dabei vor Augen halten, dass sie bei Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren immer noch bei sechzig Prozent liegt! Das Leben wird hier seit vier Jahren leider immer nur schlechter, die Leute sind vollkommen verzweifelt. Und dann die Steuern: Wir als Kirche zahlen jetzt Steuern. Neben einer außerordentlichen Abgabe für unsere Immobilien sind das über 44 Prozent auf alle Mieteinnahmen. Man kann also gar nicht mehr leben!“

Dass griechische Anleihen bei internationalen Anlegern Gnade gefunden haben, weiß sich der Erzbischof nicht ganz zu deuten. Er findet, das könnte auch ein Wahlkampf-Schachzug der Regierung sein, rechtzeitig vor den Europawahlen vom 25. Mai.

„Die Politiker sind doch überall gleich, wissen Sie: Die sagen immer, dass sie zum Wohl des Landes arbeiten, aber in Wirklichkeit arbeiten sie für die eigene Tasche. Seit fast vierzig Jahren geht es doch mit Griechenland schon abwärts: Alles Geld, das aus dem vereinten Europa kam, wurde verschleudert, die Politiker und Führungskräfte haben sich bereichert, und die Angestellten und Rentner sind verarmt. Und so viele Griechen leben, als ob es Recht und Gesetz gar nicht gäbe. Die einfachen Leute hingegen – und das ist bei weitem die Mehrheit der Griechen – haben gar nichts mehr zum Leben, vor allem die alten Leute; denn mit fünf- oder sechshundert Euro im Monat kann man nicht leben.“

Der Augenschein sagt dem Erzbischof: Es gibt immer mehr Arme, nicht nur in Athen.

„Die Realität ist, dass ein guter Teil der Griechen mittlerweile nicht mehr weiß, wo er etwas zu essen bekommen kann. Die stehen zum Beispiel bei den Mutter-Teresa-Schwestern Schlange. Es ist erst ein paar Jahre her, da gab es Lebensmittelausgaben nur an Flüchtlinge, vor allem aus Asien. Mittlerweile gehen da auch viele Griechen hin, auch zur Caritas.“

Trotz der Härten des Alltags sieht Foscolos aber auch viel Solidarität unter den Griechen. Auf die Initiative eines großen Fernsehsenders ließen Spender in Supermärkten Essenshilfen für Bedürftige, das habe großen Erfolg. Und in so gut wie jeder orthodoxen Pfarrei sei inzwischen eine Mensa für die Armen aktiv.

„Vor allem muss ich sagen, dass die orthodoxe Kirche Lebensmittel unabhängig von der Religion des Bedürftigen ausgibt. Auch wenn einer katholisch oder Muslim ist, bekommt er etwas zu essen von ihnen, da gibt es keine Diskriminierung.“

(rv 14.04.2014 sk)








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