Die Wunden heilen
langsam - zwanzig Jahre nach dem Völkermord in ihrem Land zieht die ruandische Bischofskonferenz
eine vorsichtig positive Bilanz. Franziskus hatte die Bischöfe des ostafrikanischen
Landes bei deren ad limina-Besuch am Freitag dazu ermutigt, auf dem Weg der Versöhnung
weiterzugehen. Smaragde Mbonyintege, Präsident der ruandischen Bischofskonferenz,
sagte danach zu Radio Vatikan:
„Die Menschen in unserem Land leben
heute in Frieden und haben das Übel dieses verschärften Ethnizismus grundlegend verstanden.
Die Lektion daraus für Kirche und Volk heißt, nie wieder in ein solches Drama zu geraten.
Die derzeitige Regierung, die auf nationale Einheit, Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit
setzt, hält Schritt mit einem greifbaren wirtschaftlichen Fortschritt. Das heißt nicht,
dass es keine Wunden gibt, die sind da; auch die Armut existiert und braucht unsere
ganze Aufmerksamkeit. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass uns die Lehren aus den
tragischen Momenten der Vergangenheit helfen, uns als Kirche und Volk neu aufzubauen.“
Mitte März hat ein Pariser Geschworenengericht den früheren Geheimdienstchef
Pascal Simbikangwa wegen Beihilfe zu Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
während des Genozids vor zwanzig Jahren zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Es ist
das erste französische Urteil zum Völkermord in Ruanda, bei dem bis zu einer Million
Menschen niedergemetzelt wurden. Französische Friedenssoldaten hatten damals dem Schlachten
einigermaßen tatenlos zugesehen. Urteile wie das neue von Paris nimmt Ruandas Kirche
eher distanziert auf. Wichtiger sei doch jetzt, dass im Land der Alltag wieder gelinge,
findet Mbonyintege:
„Mir gefällt es nicht, wenn man aus dem Genozid
eine politische Frage oder ein fortlaufendes Thema macht. Der Völkermord ist begangen
worden, um Interessen zu schützen, und auch bei der Gerechtigkeit, die man heute herstellen
will, geht es um wirtschaftliche Interessen. Für uns ist dies dagegen nicht das Problem,
denn es geht doch um unser Land: es geht um das Leben der Menschen, jenseits der Rechtsprechung!
Eine Dramatisierung der Situation hilft uns nicht. Wir werden durch das gerettet,
was wir sind und wie wir leben.“
„Die Kirche hat ihre
Kinder verloren, und das zweimal“
Auch Kirchenleute haben sich in Ruanda
vereinzelt des Völkermordes schuldig gemacht. Die Bischöfe haben sich deshalb nach
dem Völkermord verstärkt um Aufklärung bemüht. Der Schmerz über das Geschehene sitzt
immer noch tief, so der Präsident der ruandischen Bischofskonferenz:
„Die
Kirche hat ihre Kinder verloren, und das zweimal! Sie hat sie mit den Opfern des Genozids
verloren, und sie hat sie durch die Täter verloren, die den Glauben und die eigenen
christlichen Bezugspunkte mit Füßen traten. Das ist das Leid unserer Kirche.“
Auch
wenn es sich bei den Tätern innerhalb der Kirche um Einzelfälle handelte, sei doch
die gesamte Kirche nach dem Genozid mit ihnen identifiziert worden, beklagt Mbonyintege.
Deshalb bemüht sich Ruandas Kirche heute darum, neues Vertrauen in der Bevölkerung
zu gewinnen. Als Zeichen der Hoffnung sieht der Geistliche, dass es der Bevölkerung
trotz der schrecklichen Erfahrungen im Großen und Ganzen gelingt, wieder einen gemeinsamen
Alltag zu haben.
„Dass es den Menschen gelingt, wieder zusammenzuleben.
Nachdem einige Personen vor dem Volkstribunal Gacaca um Vergebung gebeten haben, sind
sie in das Leben in der Gemeinschaft zurückgekehrt, leben inmitten all der anderen,
und trotz der Verletzungen, die es gibt, gelingt es diesen Menschen, zusammen zu arbeiten.
In unseren Kirchen haben wir es geschafft, ausgehend von den krichlichen Basisgemeinden,
alle Christen zu vereinigen und unser religiöses Leben neu zu beleben. - Dies sind
alles Zeichen der Hoffnung!“
Im Bereich Seelsorge, psychosoziale Betreuung
und wirtschaftliche Unterstützung der Genozidopfer gehören Ruandas Kirche und ihre
Partner zu den Organisationen, die den Löwenanteil der Hilfe leisten. Sie konnten
in den letzten Jahren ein vielfältiges Hilfsnetzwerk aufbauen.