Englische Rechtsanwälte können künftig leichter ein Testament nach den Vorgaben des
islamischen Religionsrechts aufsetzen. Eine neue Handreichung des Anwaltsverbands
von England und Wales erklärt das Verwandtenerbrecht und Erbteilungsregeln der Scharia,
wie die Zeitung „Sunday Telegraph“ berichtete. Dazu gehöre etwa, dass männliche Erben
gegenüber gleichrangigen weiblichen Erben in der Regel den doppelten Anteil erhielten,
nichtmuslimische Verwandte unberücksichtigt blieben, nur islamische Eheschliessungen
für Erbansprüche anerkannt würden und geschiedene Partner aus der Erbfolge herausfielen.
Die konservative Politikerin Baroness Caroline Cox beschrieb die Handreichung laut
der Zeitung als „zutiefst beunruhigende“ Entwicklung. Jeder könne sein Testament nach
eigenen religiösen Vorstellungen gestalten. Die Anwaltsvereinigung fördere anscheinend
aber „Grundsätze, die in sich geschlechterdiskriminierend sind“, so die Angehörige
des britischen Oberhauses. Die Regeln hätten „sehr schwerwiegende Konsequenzen für
Frauen und möglicherweise für Kinder“.
Kritisch äußerte sich auch der Leiter
der atheistischen „National Secular Society“, Keith Porteous Wood. Die Leitlinien
untergrüben das „demokratisch gefasste menschenrechtskonforme Recht zugunsten eines
Religionsrechtes aus einer anderen Epoche und einer anderen Kultur“, sagte Porteous
Wood laut der Zeitung . In Großbritannien gibt es inzwischen ein Netz von Scharia-Gerichten,
die Streitigkeiten zwischen Muslimen klären. Einige sind als Justizorgane anerkannt
und können etwa verbindliche Entscheidungen in unternehmensrechtlichen Fragen, Familienzwisten,
bei häuslicher Gewalt oder Erbschaftsstreitigkeiten fällen. Andere Religionsgerichte
bieten eher Mediation an.