Guatemala: „Unser Alltag ist von Armut und Gewalt geprägt“
Guatemala ist eines
der ärmsten Länder der Welt. Dazu kommt noch, dass das zentralamerikanische Land oft
von Naturkatastrophen heimgesucht wird. Eine der schlimmsten ereignete sich im Herbst
2011. Der Vatikan reagierte darauf, indem er durch seine Hilfswerke – allen vor an
den Päpstlichen Rat Cor Unum – 19 Wohnhäuser und eine Kirche bauen liess. Nun war
der Präsident von Cor Unum, Kardinal Robert Sarah, zur Einweihung der Bauten in Guatemala
zu Besuch. Wir sprachen mit Alvaro Ramazzini, dem Bischof von Huehuetenango. Er erzählt,
wie der Alltag in seiner Diözese aussieht:
„Guatemala ist von einer Gesellschaft
geprägt, die einem neoliberalen Wirtschaftssystem nacheifert. Das hat aber dazu geführt,
dass die Schere zwischen Arm und Reich sich weiter öffnet. Das war hier schon immer
so. Und obwohl laut Volkszählung 98 Prozent der Bevölkerung katholisch sind, lebt
doch die Mehrheit nicht gemäß dem Evangelium. Das ist für mich als Bischof ein ernstzunehmendes
Problem: Viele verstehen einfach nicht, was Christsein eigentlich bedeutet. Es geht
doch darum, so zu leben, wie der Herr das getan hat, Ihn nachzuahmen und jeden Menschen
zu respektieren.“
Der Alltag sei geprägt von Armut und Gewalt, so der Bischof
weiter. Die Katholische Soziallehre sei den meisten Menschen im Land völlig unbekannt.
In einem solchen Kontext die Botschaften der Kirche zu verbreiten sei schwierig.
„Es
gibt so viele Jugendliche, die in zerstörten Familien leben. Diese Jugend hat nie
die Liebe gespürt, die man in einer traditionellen und intakten Familie erfährt. Es
gibt dann gewalttätige Gruppen, die diese Situation ausnützen: Wir nennen sie Maras.
Da die meisten Jugendlichen keine Perspektive haben, treten sie diesen Banden bei.
Das ist ein Teufelskreis.“
36 Jahre lang wütete ein Bürgerkrieg in dem
Land. Immer noch seien die Wunden sichtbar, sagt Bischof Ramazzini.
„Eine
dieser Wunden ist die Tatsache, dass wir den Weg des Dialogs nicht einschlagen. Wir
sind nicht mehr in der Lage, miteinander zu sprechen und uns gegenseitig zuzuhören,
um die Probleme anzugehen. Bei vielen herrschen noch Rachegelüste. Wir Bischöfe haben
ständig von Versöhnung gesprochen, auch wenn uns durchaus bewusst ist, dass dies nicht
so einfach ist. Aber das ist unser einziger Weg, damit die Wunden der Menschen geheilt
werden.“