Anti-Mafia-Priester: Italienische Politik muss mehr tun
Der Geistliche Luigi
Ciotti hatte Papst Franziskus zu der Gedenkveranstaltung für Mafia-Opfer eingeladen.
Die von Ciotti gegründete Anti-Mafia-Organisation „Libera“ ruft seit 1996 jährlich
zu einem „Tag der Erinnerung und des Einsatzes“ gegen Mafia, Camorra und andere Verbrecherorganisationen
auf. Vor dem Papst und hunderten von Betroffenen erinnerte Don Ciotti bei der Gebetsvigil
daran, wie sehr das Organisierte Verbrechen mit Gesellschaft und Kultur verwoben sei.
Er sagte in seinem Grußwort:
„Das Problem der Mafiaorganisationen ist
kein nur kriminelles Problem. Wenn das so wäre, würden die Einsatzkräfte der Polizei
und die Justiz reichen. Es ist ein soziales und kulturelles Problem, ein Problem,
das öffentliche und soziale Verantwortlichkeiten betrifft, die oft zu persönlichem
Machtgebaren und angesichts von Individualismus degenerieren.“
Die
an diesem Abend in Rom versammelten Betroffenen seien durch den Wunsch nach Wahrheit
und Gerechtigkeit vereint, fuhr er fort. Unter den 842 Mafiaopfern, deren Namen während
der Vigil verlesen wurden, seien 80 Kinder, zahlreiche zufällige Opfer und viele Menschen,
die sich ganz bewusst und mutig gegen das Organisierte Verbrechen gewehrt hätten:
„Wer das Leben für die Gerechtigkeit und die Wahrheit verliert, schenkt Leben, er
selbst ist Leben – wie alle Opfer des Terrorismus und der Pflicht, an die wir heute
Abend denken“, so der Geistliche, der die Bürger zu Zivilcourage gegen die Mafia aufrief.
Auch die beiden bekannten italienischen Staatsanwälte Paolo Borsellino und Giovanni
Falconi, die die Mafia in den 90er Jahren tötete, standen auf der Liste, ebenso mehrere
Kirchenvertreter, die sich im Kampf gegen die Mafia engagiert hatten.
Schwarzarbeit
und Psychoterror sind Teil des Mafia-Problems
Weiter erinnerte
er an die zahlreichen Toten, die es in Italien jährlich aufgrund unversicherter Arbeit
und der Schwarzarbeit gibt – auch dies ein Terrain des Organisierten Verbrechens.
Und er ging auf den Psychoterror ein, den viele Mafiaopfer und Angehörige durch die
Repression und Drohungen der Verbrecher erleiden müssen. Vor diesem Hintergrund sei
mehr Entschiedenheit der Politik nötig, mahnte der engagierte Priester:
„Es
braucht heute mehr denn je einen Ruck. Es braucht eine soziale Politik, Arbeitsplätze,
Investitionen in Schulen. Man muss den Menschen Hoffnung und Würde wiedergeben. Die
Politik muss sich wieder in den Dienst des Gemeinwohls stellen. Und insbesondere muss
man die Güter der Mafia konfiszieren und den sozialen Gebrauch, den sie davon machen,
einschränken.“
Die Mafia hat, etwa in vielen Teilen Süditaliens, als
„Arbeitsgeber“ den Staat als Garant von Arbeit untergraben. Das Problem wird durch
die Wirtschaftskrise noch verstärkt. Hier muss nach Ansicht von Don Ciotti der Staat
seine Wirkungsmacht Stück für Stück zurückgewinnen und das soziale Leben stärken.
Auch müsse man die Menschen unterstützen, die sich um Gerechtigkeit bemühten, indem
sie mutig mit der Justiz zusammenarbeiteten. Von der Mafia bedrohte Bürger bräuchten
Unterstützung, appellierte der Geistliche, der sich auf für mehr Bemühungen im Kampf
gegen die Korruption aussprach.