Krim-Referendum aus Sicht des Völkerrechtes ungültig
Das Abstimmungsergebnis des Referendums vom Sonntag, nach dem die Krim an Russland
angeschlossen werden soll, ist aus Sicht der meisten Völkerrechtler ungültig. „Die
Entscheidung, zu Russland gehören zu wollen, entfaltet rechtlich keine Wirkung, weil
sie nicht mit der Verfassung der Ukraine in Einklang steht“, betonte Stefan Talmon
im Interview mit der ARD. Auch eine Autonome Republik wie die Krim könne nicht mittels
eines lokalen Referendums erklären, zu einem anderen Land gehören zu wollen: „Über
diese Frage müsste die gesamte Ukraine abstimmen“, so der Professor für Öffentliches
Recht, Völkerrecht und Europarecht von der Universität Bonn: „Änderungen des Gebietes
sind nationalen Referenden vorbehalten.“
Auch zur Frage eines möglichen Selbstbestimmungsrechtes
der Krim hat Talmon eine klare Antwort: „Das Recht auf Selbstbestimmung steht zunächst
einmal dem Volk der Ukraine als Ganzes zu. Einem Teil der Bevölkerung steht ein Selbstbestimmungsrecht
im Sinne eines Rechtes auf Abspaltung nur in Ausnahmesituationen zu, deren Voraussetzungen
im Falle der Krim nicht gegeben sind. Und selbst wenn dem so wäre, scheidet ein Recht
auf Abspaltung dann aus, wenn sich ein anderer Staat in den Prozess von außen einmischt,
wie in diesem Fall Russland.“
Kiewer Regierung „nach nationalem Recht rechtswidrig,
aber völkerrechtlich legal“
Hinsichtlich der Übergangsregierung in Kiew habe
man es völkerrechtlich mit einer „skurrilen Situation“ zu tun, so Talmon weiter. Die
so genannte „Regierung der nationalen Einheit“, in der aber nicht alle politischen
Kräfte der Ukraine vertreten sind, will den Anschluss der Krim an Russland nicht akzeptieren
und hat mit militärischem Eingreifen gedroht. Eine rechtliche Grundlage für so ein
Vorgehen habe sie aber nicht, so Talmon: „Die Regierung ist durch einen revolutionären
Akt an die Macht gekommen, der nicht mit der Verfassung des Landes in Einklang steht.
Sie hat also in der Tat in der Ukraine selbst keine verfassungsrechtliche Legitimität.“
Dass wichtige Ämter dieser Übergangsregierung mit ukrainischen Rechtspopulisten
besetzt sind, löst derweil auch im Westen Unbehagen aus. Diese neue Kiewer Führung
ist nach der Flucht von Janukowitsch nun Ansprechpartner für die internationale Gemeinschaft.
Rechtlich gesehen sei das ein Dilemma, so Talmon: „Wir haben es mit der skurrilen
Situation zu tun, dass eine nach nationalem Recht rechtswidrige Regierung nach Völkerrecht
eine rechtmäßige Regierung ist.“ Rechtswidrig ist freilich auch die selbst ernannte,
pro-russische Führung der Krim, die ein Referendum durchboxte, zu dem unabhängige
OSZE-Beobachter nicht zugelassen waren.