2014-03-19 10:09:11

Homs: Ärmste Pfarreien helfen Kriegsflüchtlingen


Die katholischen Pfarreien in der Region Homs haben trotz bitterer Armut, Zerstörung, Hunger und Versorgungsengpässen viele Flüchtlinge aufgenommen, auch aus den islamistisch beherrschten Teilen Syriens. Das berichtete der melkitische griechisch-katholische Erzbischof von Homs, Jean-Abdo Arbach, in dieser Woche bei einem von der Stiftung „Pro Oriente“ veranstalteten Informationsabend in Wien.

„Die meisten Christen haben an Orten gelebt, die unter der Autorität der syrischen Regierung stehen, die sicherer sind und wo das Leben fast normal ist. An diese Orte sind Flüchtlinge aus den Regionen gekommen, in denen gekämpft wird. Wegen der Zerstörung einiger der alten Kirchen in Homs, die heute noch von der bewaffneten Opposition kontrolliert werden, wenden sich die Christen zum Gebet anderen Kirchen zu. Heute beten unsere Mitglieder darum in anderen Kirchen, zusammen mit orthodoxen und anderen katholischen Konfessionen. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass trotz des massiven Ausmaßes der Zerstörung in Homs immer noch sehr viele Menschen ausharren - und dass sogar weiterhin Flüchtlinge aus anderen Provinzen und Städten nach Homs kommen.“

Papst sehr in Sorge um Christen in Syrien
Arbach war am vergangenen Freitag von Papst Franziskus empfangen worden. Der Papst hatte sich von ihm aus erster Hand über die Lage in Syrien informieren lassen. Franziskus sei sehr besorgt über die Zukunft des Landes und über die Situation der Christen, sagte der Erzbischof anschließend. Er habe den Papst bei dem 15-minütigen Gespräch vor allem über die humanitäre Situation in Syrien und über das Leiden der christlichen Gemeinden informiert. Besonders habe er - so Arbach - von der Situation in Hama, der ebenfalls am Orontes gelegenen Nachbarstadt von Homs, berichtet, wo es „jeden Tag Tote“ gebe. Die Zerstörungen in Homs seien enorm, so Arbach, was der Zivilbevölkerung schwer zusetze:

„Ich kann die Größe der massiven Zerstörung an den Wohnhäusern und öffentlichen Einrichtungen sowie der Infrastruktur der Stadt, der Laboratorien und Bildungszentren sowie der Geschäfte beschreiben. Nach meiner Einschätzung wurden mindestens 200.000 Wohneinheiten in Homs beschädigt, was zu einer massiven Abwanderung der Menschen in die anderen Provinzen oder sogar aus dem Land, vor allem in den Libanon, führte. Wie kann man sich die psychische Verfassung dieser Familien, die gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen und sie dann nicht mehr vorfinden, vorstellen?“

Im Augenblick werde in Homs nicht gekämpft, berichtete Arbach in Wien. Der größte Teil des Stadtgebiets und des Umlands sei in der Hand der Regierung. Auch viele Gotteshäuser seien zerstört worden.

„Drei Kirchen sind völlig zerstört und nicht mehr nutzbar – vor allem die Kathedrale, die ich bis jetzt noch nicht betreten habe, und auch das Sankt Elias-Kloster, zu dem Tausende von Menschen pilgerten, sowie die Kirche der heiligen Maria in Rable.“

Die meisten Menschen in Homs lebten von der Landwirtschaft. Viele Stadtbewohner hätten landwirtschaftliche Anbauflächen außerhalb der Stadt, doch sie könnten nicht zu ihren Feldern.

„Der Anbau ist nicht mehr möglich, da die Leute Angst vor bewaffneten Milizionären haben. Die Straßen sind oft zwischen den Provinzen abgeschnitten. Selbst wenn es landwirtschaftliche Produkte gibt, können sie nicht in anderen Provinzen verkauft werden. Damit wurde eine Menge von Leuten, insbesondere die Bauern, von den Ressourcen abgeschnitten. Und so kämpfen viele Menschen überall um ihr tägliches Überleben. Die Arbeitslosigkeit verursacht Armut, und am Ende droht eine Hungersnot. Vergessen wir auch nicht die wirtschaftlichen Sanktionen, die gegen Syrien verhängt wurden, die zu hohen Preisen führten und die Schwierigkeiten des Lebens erhöhen. Die monatliche Rente reicht nunmehr für ein paar Tage.“

Die Kirche müsse die Menschen, die zum Teil alles verloren und auch keine Erwerbsmöglichkeit mehr haben, mit dem Lebensnotwendigsten versorgen und sie seelisch unterstützen, so der Geistliche. Rund 20.000 Katholiken lebten weiter in Homs, und die alten interreligiösen Kontakte mit Imamen und muslimischen Nachbarn hätten in den meisten Fällen keinen Schaden erlitten, so der Erzbischof. Größte Sorge sei die Schulbildung, denn die Schulen seien geschlossen. Die Kirche organisiere deshalb improvisierten Ersatzunterricht. Die Kinder, aber auch alle anderen Bewohner, lebten in ständiger Angst, so Arbach weiter.

„Die Explosionen, Entführungen, Vergewaltigungen, Morde, Raube und das Niederbrennen von Häusern, Moscheen und Kirchen und die Zerstörung öffentlicher Einrichtungen führt bei vielen Menschen zu großer Unruhe. Nicht alle Gebiete sind sicher, in vielen Straßen kann man nicht laufen, Sie können keine langen Strecken fahren. Die Menschen leben in ständiger Angst vor Autobomben, Raketen und Scharfschützen von beiden Seiten.“

Der Erzbischof hält auf lange Sicht eine Entwicklung wie im libanesischen Bürgerkrieg (1975-1990) für möglich. Eine Lösung sei jedenfalls nicht in Sicht, und der neue Kalte Krieg der Großmächte infolge des Ukraine-Konflikts mache ein internationales Abkommen noch unwahrscheinlicher als bisher.

Homs: Eine Stadt mit reicher christlicher Tradition
Insgesamt sind rund zehn Prozent der gut 20 Millionen Einwohner Syriens Christen. Homs, drittgrößte Stadt Syriens, hat eine reiche christliche Vergangenheit. Die Stadt nördlich von Damaskus war zu Beginn des Bürgerkriegs eine Hochburg des Protests gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad. Aufständische und Armee lieferten sich bis Februar besonders heftige Gefechte. Die Erzdiözese Homs zählt rund 30.000 Gläubige.

Die melkitische Kirche ist einer der mit Rom unierten Ostkirchen und mit rund 230.000 Mitgliedern eine der größten christlichen Gemeinschaften in Syrien. Jean-Abdo Arbach war melkitischer Exarch in Argentinien, bevor er von Papst Benedikt XVI. als Oberhirte für Homs bestätigt wurde. Der am 28. Juni 1952 im syrischen Yabroud geborene Basilianer-Ordensmann wirkte seit 1996 mit einer rund einjährigen Unterbrechung in Argentinien, zunächst als Pfarrer und seit 2006 als Apostolischer Exarch. Dieses Amt entspricht dem eines Bischofs.

(kap 19.03.2014 pr)








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