Die katholischen Pfarreien in der Region Homs haben trotz bitterer Armut, Zerstörung,
Hunger und Versorgungsengpässen viele Flüchtlinge aufgenommen, auch aus den islamistisch
beherrschten Teilen Syriens. Das berichtete der melkitische griechisch-katholische
Erzbischof von Homs, Jean-Abdo Arbach, in dieser Woche bei einem von der Stiftung
„Pro Oriente“ veranstalteten Informationsabend in Wien.
„Die meisten Christen
haben an Orten gelebt, die unter der Autorität der syrischen Regierung stehen, die
sicherer sind und wo das Leben fast normal ist. An diese Orte sind Flüchtlinge aus
den Regionen gekommen, in denen gekämpft wird. Wegen der Zerstörung einiger der alten
Kirchen in Homs, die heute noch von der bewaffneten Opposition kontrolliert werden,
wenden sich die Christen zum Gebet anderen Kirchen zu. Heute beten unsere Mitglieder
darum in anderen Kirchen, zusammen mit orthodoxen und anderen katholischen Konfessionen.
Es ist sehr wichtig zu wissen, dass trotz des massiven Ausmaßes der Zerstörung in
Homs immer noch sehr viele Menschen ausharren - und dass sogar weiterhin Flüchtlinge
aus anderen Provinzen und Städten nach Homs kommen.“
Papst sehr in
Sorge um Christen in Syrien Arbach war am vergangenen Freitag von Papst
Franziskus empfangen worden. Der Papst hatte sich von ihm aus erster Hand über die
Lage in Syrien informieren lassen. Franziskus sei sehr besorgt über die Zukunft des
Landes und über die Situation der Christen, sagte der Erzbischof anschließend. Er
habe den Papst bei dem 15-minütigen Gespräch vor allem über die humanitäre Situation
in Syrien und über das Leiden der christlichen Gemeinden informiert. Besonders habe
er - so Arbach - von der Situation in Hama, der ebenfalls am Orontes gelegenen Nachbarstadt
von Homs, berichtet, wo es „jeden Tag Tote“ gebe. Die Zerstörungen in Homs seien enorm,
so Arbach, was der Zivilbevölkerung schwer zusetze:
„Ich kann die Größe
der massiven Zerstörung an den Wohnhäusern und öffentlichen Einrichtungen sowie der
Infrastruktur der Stadt, der Laboratorien und Bildungszentren sowie der Geschäfte
beschreiben. Nach meiner Einschätzung wurden mindestens 200.000 Wohneinheiten in Homs
beschädigt, was zu einer massiven Abwanderung der Menschen in die anderen Provinzen
oder sogar aus dem Land, vor allem in den Libanon, führte. Wie kann man sich die psychische
Verfassung dieser Familien, die gezwungen waren, ihre Häuser zu verlassen und sie
dann nicht mehr vorfinden, vorstellen?“
Im Augenblick werde in Homs nicht
gekämpft, berichtete Arbach in Wien. Der größte Teil des Stadtgebiets und des Umlands
sei in der Hand der Regierung. Auch viele Gotteshäuser seien zerstört worden.
„Drei
Kirchen sind völlig zerstört und nicht mehr nutzbar – vor allem die Kathedrale, die
ich bis jetzt noch nicht betreten habe, und auch das Sankt Elias-Kloster, zu dem Tausende
von Menschen pilgerten, sowie die Kirche der heiligen Maria in Rable.“
Die
meisten Menschen in Homs lebten von der Landwirtschaft. Viele Stadtbewohner hätten
landwirtschaftliche Anbauflächen außerhalb der Stadt, doch sie könnten nicht zu ihren
Feldern.
„Der Anbau ist nicht mehr möglich, da die Leute Angst vor bewaffneten
Milizionären haben. Die Straßen sind oft zwischen den Provinzen abgeschnitten. Selbst
wenn es landwirtschaftliche Produkte gibt, können sie nicht in anderen Provinzen verkauft
werden. Damit wurde eine Menge von Leuten, insbesondere die Bauern, von den Ressourcen
abgeschnitten. Und so kämpfen viele Menschen überall um ihr tägliches Überleben. Die
Arbeitslosigkeit verursacht Armut, und am Ende droht eine Hungersnot. Vergessen wir
auch nicht die wirtschaftlichen Sanktionen, die gegen Syrien verhängt wurden, die
zu hohen Preisen führten und die Schwierigkeiten des Lebens erhöhen. Die monatliche
Rente reicht nunmehr für ein paar Tage.“
Die Kirche müsse die Menschen,
die zum Teil alles verloren und auch keine Erwerbsmöglichkeit mehr haben, mit dem
Lebensnotwendigsten versorgen und sie seelisch unterstützen, so der Geistliche. Rund
20.000 Katholiken lebten weiter in Homs, und die alten interreligiösen Kontakte mit
Imamen und muslimischen Nachbarn hätten in den meisten Fällen keinen Schaden erlitten,
so der Erzbischof. Größte Sorge sei die Schulbildung, denn die Schulen seien geschlossen.
Die Kirche organisiere deshalb improvisierten Ersatzunterricht. Die Kinder, aber auch
alle anderen Bewohner, lebten in ständiger Angst, so Arbach weiter.
„Die
Explosionen, Entführungen, Vergewaltigungen, Morde, Raube und das Niederbrennen von
Häusern, Moscheen und Kirchen und die Zerstörung öffentlicher Einrichtungen führt
bei vielen Menschen zu großer Unruhe. Nicht alle Gebiete sind sicher, in vielen Straßen
kann man nicht laufen, Sie können keine langen Strecken fahren. Die Menschen leben
in ständiger Angst vor Autobomben, Raketen und Scharfschützen von beiden Seiten.“
Der
Erzbischof hält auf lange Sicht eine Entwicklung wie im libanesischen Bürgerkrieg
(1975-1990) für möglich. Eine Lösung sei jedenfalls nicht in Sicht, und der neue Kalte
Krieg der Großmächte infolge des Ukraine-Konflikts mache ein internationales Abkommen
noch unwahrscheinlicher als bisher.
Homs: Eine Stadt mit reicher christlicher
Tradition Insgesamt sind rund zehn Prozent der gut 20 Millionen Einwohner
Syriens Christen. Homs, drittgrößte Stadt Syriens, hat eine reiche christliche Vergangenheit.
Die Stadt nördlich von Damaskus war zu Beginn des Bürgerkriegs eine Hochburg des Protests
gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad. Aufständische und Armee lieferten
sich bis Februar besonders heftige Gefechte. Die Erzdiözese Homs zählt rund 30.000
Gläubige.
Die melkitische Kirche ist einer der mit Rom unierten Ostkirchen
und mit rund 230.000 Mitgliedern eine der größten christlichen Gemeinschaften in Syrien.
Jean-Abdo Arbach war melkitischer Exarch in Argentinien, bevor er von Papst Benedikt
XVI. als Oberhirte für Homs bestätigt wurde. Der am 28. Juni 1952 im syrischen Yabroud
geborene Basilianer-Ordensmann wirkte seit 1996 mit einer rund einjährigen Unterbrechung
in Argentinien, zunächst als Pfarrer und seit 2006 als Apostolischer Exarch. Dieses
Amt entspricht dem eines Bischofs.