Preisträger Halik: Kirche im Dienste der Unterdrückten
Die Kirche der Zukunft
muss im Dienst an den Unterdrückten und Verfolgten stehen. Das sagt einer, der die
Schikanen des Kommunismus aus erster Hand kennt. Der tschechische Geistliche und Religionsphilosoph
Tomáš Halík hatte sich während des Kommunismus in seinem Heimatland im Untergrund
für soziale Gerechtigkeit und Dialog stark gemacht und dabei sein Leben riskiert.
Halík wurde in dieser Woche der renommierte Templeton-Preis zugesprochen, welcher
herausragende Leistungen an der Schnittstelle von Wissenschaft und Religion honoriert.
Er sagt im Interview mit Radio Vatikan:
„Ich empfinde das als Auszeichnung
für meine Lehrer – viele von ihnen waren Priester, haben viele Jahre in den kommunistischen
Konzentrationslagern verbracht, in Gefängnissen und Uranminen, hatten wenig Möglichkeiten
zum Schreiben und Publizieren. Sie haben mich moralisch und intellektuell inspiriert.“
Nachdem
Halík in den 70er Jahren in Ostdeutschland heimlich zum Priester geweiht wurde, baute
er in der Tschechoslowakei im Untergrund ein geheimes Netzwerk aus Theologen, Wissenschaftlern
und Philosophen auf, das sich für demokratische und freiheitliche Werte einsetzte.
Er selbst hatte sein Theologiestudium vor dem Prager Regime verbergen müssen und konnte
aus politischen Gründen nie als Dozent arbeiten. Eine ständige Gradwanderung für ihn
und für seine Mitstreiter, erzählt Halík:
„Viele von ihnen sind während
des Kommunismus gestorben. Durch ihre Gefängniserfahrungen haben sie etwas entdeckt,
das für die Botschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils wichtig werden würde. Sie
haben im Gefängnis viele nicht-katholische Menschen getroffen, einige Nicht-Glaubende,
und entdeckten, dass sie etwas gemeinsam hatten. Sie haben die Verfolgung als Möglichkeit
der Reinigung der Kirche empfunden. Sie sagten mir: ,Wir haben geträumt, dass die
Kirche der Zukunft wirklich eine Kirche im Dienste der Unterdrückten und Armen sein
wird’. Ich denke, dass dies genau die Botschaft des Zweiten Vatikanum ist, die auch
Papst Franziskus am Herzen liegt.“
Halík war enger Mitarbeiter des damaligen
Prager Erzbischofs Kardinal František Tomášek. Von 1990 bis 1993 war er Generalsekretär
der Tschechischen Bischofskonferenz und später Konsultor des Päpstlichen Rates für
die Kultur. Auch wirkte er als externer Berater des tschechischen Staatspräsidenten
Václav Havel. Dass seine Auszeichnung zeitlich mit dem ersten Pontifikatsjubiläum
von Papst Franziskus zusammenfällt, freut ihn. Der Papst sei für ihn persönlich und
„für viele Menschen außerhalb der Kirche“ ein „Zeichen der Hoffnung“, so der Philosoph.
Was ist für ihn Franziskus’ Botschaft?
„Ich denke, dass Papst Franziskus
ein spiritueller Mann ist, der den Menschen seine Nähe zeigt. Ich habe ein Buch geschrieben,
es heißt: ,Berühre die Wunden’ und bezieht sich auf eine Szene des Johannes-Evangeliums,
als der heilige Thomas die Wunde Christi berührt und denkt: ,Das ist mein Herr und
mein Gott.’ Ich denke, dass die Probleme, das Elend unserer Welt, die soziale Not,
die heutigen Wunden Christi sind. Wenn wir diese Wunden ignorieren, haben wir kein
Recht zu sagen: ,Mein Herr, mein Gott’.“