Kardinal Marx: „Wo sind die positiven Botschaften?“
Wo Marx drauf steht,
soll auch Marx drin sein: In einem Interview für katholische Medien nach seiner Wahl
zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz beantwortete Kardinal Reinhard Marx
so die Frage, wie viel vom Papst denn in ihm stecke. Es sei eine Grundintention Jesu,
dass Innen und Außen zusammen passen. Inhaltlich sei er froh über die Impulse von
Franziskus, etwa im Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium.
„Es ist manchmal
auch sehr bedrängend geschrieben, aufrufend und appellativ! Deswegen fällt es sicher
nicht ganz leicht zu sagen: Prima, das machen wir ja alles schon. Es ist schon ein
Anspruch dahinter, aber das gefällt mir. Es gefällt mir, dieses Bedrängende und Aufrüttelnde,
und weiß natürlich, dass wir uns auch in der Pflicht sehen müssen, da das Eine oder
Andere zu tun.“
Menschen- und Weltzugewandtheit entdecke er im Papst mit
einer Lust an Begegnungen. Er selber mache das wahrscheinlich etwas anderes, gelte
aber auch nicht unbedingt als kontaktscheu, so Marx. Lernen könne die Kirche in Deutschland
noch anderes, etwa den Umgang mit Gütern:
„Dass wir uns sehr kritisch fragen
lassen: Wie gehen wir mit dem Geld um? Wofür wird es eingesetzt, woher kommt es, wie
wird es verwandt? Da müssen wir auch in Deutschland noch einen Weg gehen, wie wir
in den letzten Monaten ja gesehen haben.“
In dem Pressegespräch plädierte
Marx auch für ein „ideologisches Abrüsten“ der Pastoral. Wo die Armen nicht in der
Mitte der Kirche seien, sondern nur Objekte der Fürsorge, da sei die Kirche nicht
wirklich Kirche Christi. Hier liege eine radikale Form der Evangelisierung, der sich
die Kirche stellen müsse, jede Pfarrei und jedes Bistum.
Auf die Vielzahl seiner
Ämter angesprochen betonte er, dass das jetzt nicht mehr alles zusammen passe, er
habe in der Vergangenheit vielleicht die Gelegenheit verpasst, das eine oder andere
auch abzugeben.
„Und deswegen muss man jetzt überlegen: Jetzt ist mal eine
Gelegenheit, jetzt wollen wir mal durchforsten, was möglich ist und was nicht. Das
wird nicht ganz einfach sein, da muss ich mir Gedanken machen, aber ich glaube nicht,
dass ich all die Ämter, die ich jetzt habe, weiterführen sollte. Schwerpunkt muss
an erster Stelle immer das Erzbistum sein, in dem man tätig ist als Erzbischof - das
darf nicht vernachlässigt werden. Ich kann sicher auch nicht ganz einfach die Wünsche
des Heiligen Vaters ignorieren, und die Bischofskonferenz braucht jetzt, glaube ich,
auch wirklich in den ersten Jahren, in denen ich tätig sein werde, meine ganze Aufmerksamkeit
und Kraft - naja, die ganze ja nicht... und da muss man mal sehen, wie man auch Arbeit
aufteilen kann. Ich bitte um Verständnis, dass ich da heute keine Entscheidung fällen
will, aber ich glaube, die Sorge mancher Mitbrüder, ‚er soll sich nicht zuviel zumuten',
nehme ich gerne auf und möchte sie auch umsetzen.
Wichtig sei es auch weiterhin,
auf die Dinge, die auf die Tagesordnung kämen wie die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle
oder unlängst die Causa Limburg gut zu antworten, so Marx.
„Aber ich glaube
schon, dass es wichtig wäre, zu überlegen, auch gemeinsam: Wo sind die positiven Botschaften,
die wichtigen Botschaften des Evangeliums?, wie es der Papst ja auch tut, konzentriert
auf die Mitte des Evangeliums, die wir einbringen in eine plurale Gesellschaft. Ich
weiß, das ist nicht einfach, weil eine mediale Gesellschaft natürlich hungriger ist
nach einem Skandal als nach einem Wort aus der Bibel... das ist mir klar.“
Eine
neue Evangelisierung, wie sie sich der Papst wünsche, dürfe in Deutschland nicht „als
eine Art Reconquista“, als „Wiedereroberung eines verloren gegangenen Territoriums“,
verstanden werden. „Das geht nicht“, so der Kardinal wörtlich. Stattdessen gehe es
um das persönliche Zeugnis jedes einzelnen Christen.
„Das ist ein langer
Weg! Aber mir wäre schon lieb, wenn wir einige hausgemachte Probleme etwas beiseiteschieben
könnten und wenn wir uns auf die Situation einstellen. Das beruhigt die Seele und
gibt Kraft; sonst verdoppeln die Leute ihre Anstrengungen, und die Erfolge bleiben
trotzdem aus, müssen ausbleiben, weil wir eine falsche Analyse der Situation haben.
Weil wir denken, wir könnten etwas wiederholen und wiedergewinnen und müssten es auch…
was nicht möglich ist.“