Seinen ersten Arbeitstag
als neuer Papstsekretär von Franziskus begann mit einem Scherz: Als der Malteser Alfred
Xuereb in der Casa Santa Marta ankam, hielt der Papst einen Brief in der Hand und
sagte: „Wir haben ein Problem! Jemand hat anscheinend nicht gut über dich gesprochen.”
Es stellte sich heraus, dass es das Empfehlungsschreiben von Papst Benedikt XVI. war
und Franziskus machte sich darüber lustig, dass dieser Xuereb „loswerden“ wollte.
Diese Anekdote erzählt Xuereb im Gespräch mit Radio Vatikan zum ersten Pontifikatsjahr
von Papst Franziskus.
„Wenn ich zurückdenke, dann sind das ganz viele Emotionen
und zahlreiche tiefgründige Erinnerungen. Das waren alles besondere Momente, die sicherlich
auch in den Geschichtsbüchern festgehalten werden. Ich war dabei, als am 28. Februar
der letzte Tag im Pontifikat von Benedikt XVI. war. Die Trennung von ihm war für mich
sehr schwierig, weil er für mich wie ein Vater war... Fünf Jahre lang stand ich ihm
zur Seite. Dann musste ich schnell die Koffer in Castel Gandolfo packen, weil man
mir den Auftrag gab, sofort zur Casa Santa Marta zu gehen und dort Papst Franziskus
zu helfen. Man sagte mir, dass er niemand hatte und alle Briefe selber öffnete.“
Mittlerweile
ist der Malteser nicht nur Papstsekretär und enger Begleiter von Franziskus: Seit
kurzem ist auch Generalsekretär des Wirtschaftssekretariates, das Papst Franziskus
ins Leben rief. Xuereb ist von der Zielstrebigkeit des Papstes beeindruckt.
„Diese
Einstellung – und da bin ich mir sicher – ist Gottgegeben, denn er ist ein Mann mit
einer tiefen Spiritualität. Er lässt sich von Gott vor allem durch das Gebet inspirieren.
Ich denke beispielsweise an die Visite auf Lampedusa. Er kam auf diese Idee, nachdem
er oft daran dachte, als er in die Kapelle in Santa Marta hereintrat. Er sprach immer
davon, dass er zu den Menschen dort hingehen müsse, damit er die Überlebenden sprechen
und die Tote beweinen könne. Als er merkte, dass er oft diese Idee hatte, wusste er,
dass dies eine Eingebung Gottes sei. Er tat es, auch wenn er wusste, dass es wenig
Vorbereitungszeit dafür gab. Dieselbe Methode benützt er, um Menschen für bestimmte
Posten im Vatikan auszuwählen.“
Papst Franziskus sei vor allem ein Missionar,
so Xuereb weiter. Bei seinen öffentlichen Auftritten sei Franziskus einer, der die
Menschen zu sich ruft, um das Evangelium zu verkünden.
„Er ist sozusagen
der Weltpfarrer geworden. Es ist ihm gelungen, auch jene anzusprechen, die sich von
der Kirche entfernt hatten, damit sie wissen, wo ihr Platz in der Kirche ist. Er sieht
im Klerikalismus und in der Kasuistik die größten Hindernisse, damit sich alle von
der Kirche geliebt fühlen. Wir bekommen täglich Zuschriften von Priestern, die uns
schreiben, wie Gläubige wieder zur Beichte gehen oder sich vermehrt von der Kirche
angesprochen fühlen.“
Franziskus stelle sich selber dabei in den Hintergrund,
sagt Xuereb. In den ersten Monaten des Pontifikates hatte der Papst Hüftschmerzen
wegen seinem Ischias. Obwohl die Ärzte ihm empfohlen hatten, sich nicht zu beugen,
tat er dies jedes Mal, als er Behinderte traf oder auch bei der Gründonnerstagsfeier
mit der Fußwaschung.
„Glauben Sie mir, er verliert keine Minute! Er arbeitet
unermüdlich und wenn er merkt, dass er sich ausruhen muss, dann schließt er nicht
einfach die Augen und tut nichts, nein, er beginnt den Rosenkranz zu beten. Er betet
mindestens drei Rosenkränze pro Tag. Er sagte mir, dass ihm dieses Gebet helfe, sich
auszuruhen. Und dann macht er weiter. Er empfängt ständig Leute. Das Personal von
Santa Marta kann dies bezeugen. Er hört zu und hat ein außergewöhnliches Erinnerungsvermögen.
Er steht früh auf, feiert die Messe in der Kapelle und dann schreibt er Briefe, macht
Anrufe und spricht mit dem Personal.“
Der Papstsekretär, der auch unter
Benedikt XVI. diese Tätigkeit innehatte, war auch bei den Treffen von Franziskus mit
dem emeritierten Papst dabei.
„Es wäre doch ein Verlust, wenn Papst Franziskus
auf den Rat seines Vorgängers verzichten würde. Benedikt XVI. ist eine Quelle der
Weisheit und Erfahrung! Und in der Tat, Franziskus hat ihn sofort angerufen. Das ist
so, als ob man den eigenen Großvater zuhause hat. Für Franziskus ist Benedikt ein
großer Schatz… Die Präsenz Benedikts bereichert das Pontifikat von Franziskus.“
Xuereb
war für kurze Zeit auch im Sekretariat von Johannes Paul II. tätig. Er kann von sich
behaupten, bereits drei Päpste als Sekretär gedient zu haben.
„Mir ist bewusst,
dass der Herr mich auf sehr besondere Wege führt. Das hätte ich mir natürlich nie
vorstellen können. Aber das ist der Wille Gottes… Und wie der emeritierte Papst Benedikt
bei jeder schwierigen Entscheidung sagte: ,Der Herr wird uns schon helfen´. Nun, das
Gebet von Papst Franziskus ist für mich persönlich die größte Stütze.“