2014-03-04 12:01:47

Ukraine/Russland: Rolle der Kirchen ist beschränkt


RealAudioMP3 Die Kirchen in der Ukraine können wenig für eine Deeskalation der Lage tun. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan der Professor für Ostkirchenkunde an der Universität Münster, Thomas Bremer. Die kirchliche Situation sei in der gegenwärtigen Lage in der Ukraine zwar wichtig. In den verschiedenen Kirchgemeinschaften, die es in der Ukraine gibt, spiegelten sich die verschiedenen Optionen des Landes wider, so Bremer. Die einen seien für den Erhalt der nationalen Einheit, andere wünschten sich eine Annäherung zu Russland oder sogar eine Spaltung des Landes. Zwar habe sich das Oberhaupt des Moskauer Patriarchats, Kyrill I., gegen eine solche Spaltung der Ukraine ausgesprochen, doch viele Mitglieder seiner Kirche wünschten sich das Gegenteil.

„Insgesamt ist es jedoch so, dass die russisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats – also die kanonische orthodoxe Kirche in der Ukraine – im Osten des Landes und auf der Krim sehr stark vertreten ist, während das sogenannte Kiewer Patriarchat – also eine nicht-kanonische Kirche unter einem anderen Oberhaupt – das eine schwierige Geschichte hinter sich hat, eine Kirche ist, die eher die ukrainische Option betont, während die ukrainisch griechisch-katholische Kirche, die vor allem im Westen des Landes stark ist, vor allem für die Einheit der Ukraine eintritt. Der griechisch-katholische Großerzbischof hat sich in den letzten Tagen sehr kritisch zu Russland und zu den russischen politischen Aktionen geäußert.“

In Moskau hatte Patriarch Kyrill in den vergangenen Tagen seinerseits betont, dass Orthodoxe auf beiden Seiten der Barrikaden stünden. Selbst bei TV-Aufnahmen sah man wie russisch-orthodoxe Priester des Moskauer Patriarchats sowohl bei russischen Soldaten als auch bei ukrainischen Militärs standen und für sie beteten. Solche Einstellungen erinnern an die Situation vor 20 Jahren im ehemaligen Jugoslawien, bei der die Kirchen ebenfalls nicht viel für den Frieden beitragen konnten.

„Damit ist die kanonische orthodoxe Kirche in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Um nochmals auf das jugoslawische Beispiel zu kommen: Es hat während der Auflösungskriege Jugoslawiens in den 90er Jahren eine Reihe von Treffen gegeben zwischen dem serbisch-orthodoxen Patriarchen und dem katholischen Erzbischof von Zagreb. Sie hatten gemeinsam für den Frieden aufgerufen. Diese Aufrufe hatten damals faktisch nicht gefruchtet. Sie haben den Kriegsverlauf nicht beeinflusst. Es ist gut und wichtig, dass wir das haben und heute sagen können, wenigstens die Kirchen haben sich gegen den Krieg damals geäußert. Tatsachlich sind auch die kirchlichen Beziehungen heute besser als vor dem Krieg in Südosteuropa.“

Bremer plädiert deshalb dafür, dass die verschiedenen Kirchen in der Ukraine sich wenigstens träfen. Dies wäre ein wichtiger Erfolg, so der Experte.

„Das ist aber in der Ukraine ganz schwierig, weil es eben die unkanonischen orthodoxen Kirchen gibt, mit denen eigentlich – und ich würde sagen auch verständlicherweise – die russisch-orthodoxe Kirche nicht unbedingt Kontakt haben will. Die stärkste katholische Kirche ist die griechisch-katholische Kirche und die Beziehung zwischen dieser Kirche und den orthodoxen Kirchen war bisher oft sehr schwierig. Deswegen ist es kirchlich gesehen eine sehr diffizile Gemengelage, ich würde sagen, es ist noch schwieriger als damals auf dem Balkan.“

Im Gegensatz zu den Balkankriegen hätten sich jedoch nicht nur Zeiten geändert, auch die Dimensionen seien anders, so Bremer von der Universität Münster. Die USA werden wohl mit Sanktionen und einem Abbruch der Beziehungen gegen Russland vorgehen, schätzt er die Entwicklung ein.

„Wenn ich das etwas flapsig sagen kann: ein Krieg gegen Serbien ist was anders als ein Krieg gegen Russland. Ich glaube auch, dass ein Krieg zwischen der Ukraine und Russland wenig wahrscheinlich ist. Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen, wie beispielsweise den Unterschieden der Armee, der Größe des Landes, der besonderen Struktur der Bevölkerung usw. Es ist ja auch erfreulich, dass es bis jetzt auf der Krim und im Osten des Landes noch keine Todesopfer gegeben hat, sondern dass die russischen Soldaten sozusagen einfach da sind und die Situation zum größten Teil kontrollieren.“

Bremer befürchtet, dass durch diese Präsenz in der Ukraine es eine ähnliche Situation wie im ehemaligen Jugoslawien geben wird, in der über Jahre hinaus die Lage blockiert bleibt.

(rv 04.03.2014 mg)








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