Ukraine: Deutscher Pastor auf Krim sorgt sich wegen Bürgerkrieg
Wochenlang schaute
alle Welt auf die Proteste in Kiew, nun schwenkt der Blick Richtung Süden der Ukraine:
Auf der Halbinsel Krim, die de jure zur Ukraine gehört, toben seit Tagen die Proteste.
Diesmal geht es genau andersherum. Die Demonstranten wollen nicht akzeptieren, dass
Viktor Janukowitsch abgesetzt ist, und sie befürworten eine an Russland orientierte
Politik. Der abgesetzte Präsident hatte schon bisher einen großen Rückhalt auf der
Krim. Über 70 Prozent hatten bei den letzten Wahlen für ihn gestimmt.
Markus
Göring ist Pfarrer der deutschen evangelisch-lutherischen Kirche der Ukraine und ist
für sieben Gemeinden auf der Krim zuständig. Die Halbinsel im Schwarzmeer ist ein
Sammelbecken ethnischer und religiöser Minderheiten. Neben Orthodoxen und Krim-Deutschen
gibt es auch etwa 15 Prozent Tataren, die mehrheitlich Muslime sind. Im Gespräch mit
uns sagt Göring:
„Was die Leute hier auf der Krim beunruhigt, ist die Gefahr
eines Bürgerkriegs, weil es nicht mehr so ist, wie es in Kiew war. Dort war es eine
Auseinandersetzung zwischen einer Opposition und Demonstranten, die gegen ein skrupelloses
Regime auftraten und dort von der Miliz bedrängt wurden. Hier auf der Krim hingegen
geht es um eine Auseinandersetzung, die geschürt wird zwischen der russischen und
der tatarischen Bevölkerung. Das ist eine sehr unangenehme Sache. Bislang war die
Krim dafür bekannt, dass hier die unterschiedlichen Volksgruppen seit jeher sehr gut
zusammenleben.“
Als er seine Kinder am Freitagmorgen zur Schule brachte,
waren von 29 Kindern nur fünf gekommen, erzählt Pastor Göring. Die Gemeinde musste
wegen der unruhigen Lage mehrere Veranstaltungen absagen. Die Angehörigen der deutschen
Minderheit auf der Krim hätten eine „einigermaßen klare Meinung“ zu dem Konflikt,
so der Pastor: Sie wollen das Tau zu Russland auf keinen Fall kappen und seien mit
dieser Haltung nicht allein.
„Die Gemeindeglieder sind hier durchaus –
so wie die Mehrheit der Bevölkerung – so eingestellt, dass sie auf keinen Fall wollen,
dass das Verhältnis zu Russland sich verschlechtert. Falls sie weiterhin zur Ukraine
gehören sollen, dann wollen sie keine Ukraine, die den Gesprächsfaden zu Russland
abreißen lässt. Diese Angst verbindet sich tatsächlich mit der aktuellen Regierung
(in Kiew). Ich würde nicht sagen, dass unsere Leute jetzt auf die große Demonstrationen
gehen und den sofortigen Anschluss an Russland verlangen, aber es gibt durchaus in
unseren Gemeinde jene, die das nicht unbedingt schlecht fänden.“
Die Krim-Halbinsel
ist eine autonome Teilrepublik der Ukraine. Eine Mehrheit der Bevölkerung dort zählt
zur russischen Bevölkerung, und im Hafen von Sewastopol hat Russland eine eigene Flotte
stationiert. Pastor Göring hat noch eine Bitte:
„Ich würde mich sehr freuen,
wenn die Menschen anderen Teilen Europas nicht nur die Bilder im Fernsehen anschauen,
sondern auch mitbeten für die Situation hier vor Ort und für die Situation der Gemeinden
der verschiedenen Konfessionen und die Menschen, die in Ruhe ihre jeweiligen Prägungen
– seien es nun Ukrainer, Tataren oder Russen – dort leben können, in Freiheit, Frieden
und guter Nachbarschaft.“