Der Vatikanfragebogen
zu Ehe und Familie war nicht als „Meinungsumfrage“ gedacht, sondern dient der Bestandsaufnahme..
Das stellte jetzt Erzbischof Vincent Nichols von Westminster klar. Der designierte
Kardinal, der den roten Hut am Samstag von Franziskus aufgesetzt bekommt, dämpft im
Gespräch mit Radio Vatikan zu große Erwartungen an die Bischofssynode zur Familie,
die im Oktober im Vatikan stattfinden soll. Auf das Thema eingestimmt haben sich am
Donnerstag und Freitag 150 Kardinäle aus aller Welt, die sich derzeit mit Franziskus
im Vatikan austauschen. Erzbischof Nichols ist mit dabei.
„Wir müssen nun
aufpassen und garantieren, dass die Leute nicht denken, dass das eine Meinungsumfrage
war, die zu einer Neuanpassung von Richtlinien führt. Das war eine Übung des Zuhörens,
ein Versuch, der Erfahrung der Menschen Beachtung zu schenken, ihrem Versuch, den
Glauben in der Familie zu leben, und ihrer Erfahrung von Unterstützung (durch die
Kirche, Anm. d. Red.) oder von fehlender Unterstützung.“
Der Erzbischof
sieht deshalb keine Anpassung der kirchlichen Lehre zu Ehe und Familie an die veränderten
Lebensverhältnisse als vielmehr Neuerungen in der pastoralen Praxis. Die ist für Nichols
der Dreh- und Angelpunkt möglicher Reformen.
„Ich denke, das ist mehr ein
pastorales Thema, es geht darum, Antworten auf die Lebenswirklichkeit der Menschen
zu haben. (…) Bei vielen dieser Dinge geht es ja um die pastorale Praxis, und ich
glaube wirklich, wir brauchen da eine Erneuerung. Es gibt eine lange Tradition der
pastoralen Praxis, die zum Beispiel bis zum Heiligen Alfons zurückreicht. Und ich
denke, wir haben einen Teil dieser Tradition, dieser Fähigkeiten, verloren auf der
pastoralen Seite des kirchlichen Lebens.“
Papst Franziskus hatte am Donnerstag
bei Eröffnung des Außerordentlichen Konsistoriums zur Familie vor den Kardinälen und
Erzbischöfen betont, er erhoffe sich eine „intelligente und mutige Familienpastoral“.
Nichols hat den Eindruck, dass die Menschen „die Aspiration der Kirche (in diesem
Bereich, Anm.) teilen“: „Sie wollen wirklich ein permanentes, stabiles und fruchtbares
Familienleben. Doch die Schwierigkeiten, die sie da haben, sind sehr real.“ Und davor
dürfe die Kirche nicht die Augen verschließen, so der designierte Kardinal:
„Man
muss den Druck anerkennen, unter dem sich die Leute befinden: Viele Menschen stehen
unter großem sozialem Druck und dem Druck, die Familien zusammenzuhalten. Ich denke,
wir müssen tief mitfühlend sein angesichts der aktuellen Lage dieser Menschen.“
In
Großbritannien seien insgesamt 16.500 Antworten auf die Vatikanumfrage zur Familie
eingegangen, gibt der Erzbischof an, unter den Teilnehmern seien 69 Prozent verheiratet
gewesen. Anders als in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat die Bischofskonferenz
in Großbritannien die Ergebnisse der Umfrage nicht publik gemacht. Warum? Dazu Nichols:
„Nun,
wir sind vom Sekretär der Synode darum gebeten worden, die Antworten, die wir an den
Heiligen Stuhl gesendet haben, nicht öffentlich zu machen. Ich bin damit einverstanden.
Wir stehen dazu und werden uns zu gegebener Zeit damit befassen.“
Überhaupt
hat es der Erzbischof von Westminster offenbar weniger eilig als einige Kollegen im
deutschsprachigen Raum. Mit den Synoden zur Familie in 2014 und 2015 habe der Papst
das Thema für die kommenden Jahre schließlich ganz nach oben auf die Agenda gesetzt,
so Nichols: „Beeilen muss ich mich da also nicht.“