2014-02-04 16:53:23

Menschen in der Zeit: Eva Petrik


Unzweifelhaft haben in der katholischen Kirche nach wie vor die Männer das Sagen. Aber gerade das hat Frauen wie Eva Petrik immer schon angeregt, sich zu Wort zu melden. Gleichermaßen kritisch und loyal war Eva Petrik über mehrere Jahrzehnte hindurch die bekannteste Laiin Österreichs. Sie verlangte in der Affäre Groёr schonungslose Aufklärung von „ihrer“ Kirche. Sie redete einer weltoffenen Religiosität das Wort und hielt den Dialog mit anderen christlichen und jüdischen Mitbürgern hoch. Eva Petrik war geprägt durch Priester aus dem legendären „Bund Neuland“ sowie durch die Tätigkeit in der katholischen Jungschar; sie war von Jugend an in der Kirche aktiv. Die Professorin für Chemie war ihren Schülerinnen auch Begleiterin und Vorbild dafür, wie das Leben als Frau gelingen kann. Petrik, selbst Mutter von vier Töchtern, war nach der Kleinkinderpause sowohl berufstätig als auch ehrenamtlich aktiv. Acht Jahre lang gehörte sie dem Team von Erhard Busek’s so genannten „bunten Vögeln“ der Wiener Kommunalpolitik an. Unerschrocken kehrte sie ihrer Partei aber auch den Rücken, wenn sie mit gewissen bundespolitischen Entscheidungen nicht einverstanden war. Als Präsidentin der „Katholischen Aktion“ trat sie uneingeschränkt gegen Ausländerfeindlichkeit ein und begründete das berühmte „Wiener Lichtermeer“ mit. In einem Beitrag zu diesem Lichtermeer hat sie einmal geschrieben: „Das Reich Gottes ist nicht nur ein Jenseitiges, es hat schon hier und jetzt begonnen, und dies geschieht nicht ohne Mitwirkung der Menschen.

Eva Petrik war eine der prägenden Persönlichkeiten des Laienapostolats in der Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit den frühen 1950er Jahren war sie in vielen Funktionen ehrenamtlich engagiert. Begonnen hatte Petrik, die 1931 als Eva Rasny in Graz geboren wurde und in Wien aufwuchs, ihr kirchliches Engagement mit dem Aufbau der „Katholischen Jungschar“. Ab 1958 unterrichtete Petrik am Gymnasium des Institutes „Neulandschulen“ in Wien und war Lehrbeauftragte an der Religionspädagogischen Akademie der Erzdiözese Wien. Sie war stellvertretende Vorsitzende der österreichischen Katholikentage, Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft für katholische Erwachsenenbildung. Im Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit war sie bis zuletzt engagiert. Im März 2007, ihrem Todesjahr, erhielt Eva Petrik aus der Hand von Kardinal Christoph Schönborn den Stephanusorden in Gold, die höchste diözesane Auszeichnung in Anerkennung ihrer Verdienste für die Erzdiözese Wien.

Kein Zweifel, sie war eine wichtige Frau der katholischen Kirche in Österreich. Die langjährige Präsidentin der „Katholischen Aktion“, Dr. Eva Petrik. Lehrerin, Erwachsenenbildnerin, Politikerin. Sie war aber vor allem eines: Eine gläubige Katholikin. Zutiefst geprägt vom Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils. Eva Petrik, in einem ORF-Gespräch:

„Das war maßgebend für mein Leben geschneidert, würde ich sagen. Ich hatte das Glück, schon in der Jugend Seelsorge zu erleben, Priester kennen gelernt zu haben, die das zweite Vatikanum zum Teil schon vorweg genommen haben. Ich würde mir wünschen, dass dieses Kirchenbild lebendig bleibt und immer mehr und mehr gestärkt wird: Dieses Bild einer offenen Kirche, einer Kirche, wo - wie Johannes XXIII gesagt hat - die ,Fenster und die Türen offen sind‘. Dann zieht es zwar ein bisschen, dann kommt Wind in die Sache. Aber Wind ist Bewegung, Wind ist Leben. Wind, frische Luft ist das, was man zum Leben braucht.“

Von 1991 bis 1997 war Eva Petrik Präsidentin der Katholischen Aktion, der größten katholischen Laienorganisation Österreichs. Sicherlich eine turbulente Zeit für die römisch-katholische Kirche. Im Rückblick aber erinnert sich Eva Petrik zuerst an ein politisches Ereignis:

„In meine Amtszeit hinein fiel beispielsweise das Volksbegehren, das damals Heide (Schmidt) aufs Tapet gebracht hat, das dann als Anti-Ausländer-Volksbegehren berühmt-berüchtigt geworden ist. Es ist uns damals immerhin gelungen, die Menschen in den Farn zu motivieren, Flugzettel, die nicht dagegen, sondern für das Gegenteil, für die gegenteilige Haltung geworben haben. Das ist mir sehr wichtig. ,Zehn Gegensätze für Menschenfreunde‘ hat das geheißen, und wir haben an zwei Sonntagen hintereinander – ohne Vorwarnung sozusagen – 750.000 dieser Flugzettel verteilt. Ich glaube, dass das schon etwas bewirkt hat. Es haben uns nachher Namhafte, auch Politiker, gesagt, das hätte eine politische Gegeninitiative nie bewirken können, was hier von gesellschaftspolitisch engagierten Christen zu Wege gebracht wurde: dass die Erwartungen derer, die das Volksbegehren initiiert haben, etwa auf die Hälfte reduziert wurden, im tatsächlichen Ergebnis.“

1983 war Eva Petrik maßgeblich an der Organisation des Katholikentages mit Papst Johannes Paul II beteiligt.

„Ein Katholikentag, der einen Papstbesuch beinhaltet hat oder als Kernstück hatte. Obwohl uns immer sehr daran gelegen war zu sagen: ,Österreich feiert Katholikentag, der Papst ist Gast bei diesem Katholikentag.‘ Es sollte also nicht der Katholikentag nur Rahmenprogramm für den Papstbesuch sein. Ich glaube, dass die Menschen, die aus ganz Österreich gekommen sind, nicht nur wegen des Events gekommen sind, sondern auch inhaltlich vorbereitet waren. Das war das Eine. Und das Zweite: Durch die Vorbereitung in Wien – und ich glaube, die Vorbereitung hat damals wirklich in den Farn in einer großartigen Vernetzung gut gegriffen – haben die Wiener, die Wienerinnen das Gefühl gehabt: ,das ist unser Tag‘. Man hat das an der Stimmung von Anfang an gemerkt. Ich kann mich gut erinnern an die Stimmung am Freitag vor Beginn, wie die Gäste gekommen sind, auch ausländische Gäste und eben die Nicht-Wiener, die sich in Wien auch nicht so ausgekannt haben. Wien hat damals die Stimmung einer offenen, einer gastfreundlichen Stadt gezeigt. Jeder war jedem behilflich und sogar in den öffentlichen Verkehrsmitteln in den Straßenbahnen gab es Situationen, die wir von unseren Wienern sonst nicht gewohnt waren.“

Engagiert und tatkräftig, loyal, aber kritisch. Eva Petrik konnte, wenn es um die Sache ging, auch sehr deutliche Worte finden:

„Unsere Kirchen werden nicht nur leerer und leerer. Ich meine, dass die Ausprägungen unseres Glaubens – sei es in der Liturgie, sei es in anderen Formen des Gemeinschaftslebens, auch freudloser werden. Und ich glaube, dass diese Freudlosigkeit, die sich teilweise zeigt, aus einer tiefen Resignation der Menschen kommt, die in dieser Kirche – ihr Leben lang – und für diese Kirche arbeiten und gearbeitet haben. Und ich meine jetzt nicht nur uns Laien. Ich glaube, dass sowohl Laien als auch Klerus, also Pfarrklerus, der an der Basis arbeitet, dass diese Leute in den letzten Jahren schon das Gefühl hatten, nicht mehr in ihren Anliegen gehört zu werden und nicht mehr verstanden zu werden in ihren Problemen. Ich sage nicht sehr gern mehr ,mitbestimmen‘ können. Natürlich geht es um das, aber es geht diesen Menschen nicht um die ,Macht‘ des Bestimmenkönnens. Sondern es geht um das Mit- und gemeinsam Verantwortung tragen und Vollgenommenwerden. Mehr und mehr haben wir das Gefühl, dass die Basis, die ja ihren Glauben sehr lebendig lebt, weitgehend, das meine ich sehr wohl… - aber diese Basis schwimmt sozusagen einem Zentrum, das in Wolken Kuckucksheim lebt, davon. Und das ist es, was resigniert. Das müsste aufgebrochen werden.“

Auf politischer Ebene war Eva Petrik ÖVP-Mandatarin im Wiener Landtag und Gemeinderat. Allerdings trat sie aus der Volkspartei aus, als diese im Jahr 2000 eine Regierungskoalition mit der von Petrik wegen ihrer polarisierenden Ausländerpolitik immer wieder kritisierten FPÖ einging. Wer Politik auf Kosten der Migranten mache, stehe „im Widerspruch zum christlichen Menschenbild“, so Eva Petrik.

Verheiratet war Eva mit Joseph Petrik, der unter anderem als langjähriger Vorsitzende des katholischen Familienwerks ebenfalls eine der prägenden Gestalten der Österreichischen Kirche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war. Er war im Jahre 2008, erst vor wenigen Monaten, verstorben. Ihre Tochter Regina war führend in der katholischen Jungschar tätig, und ihr Schwiegersohn, Christoph Petrik-Schweifer, ist derzeit Auslandshilfechef der Caritas Österreich.

Ihren Wunsch für die Zukunft der Kirche formulierte Eva Petrik kurz vor ihrem Tod im November 2007 einmal so:

„Ich hoffe für die Kirche, dass sie ihre gesellschaftliche Bedeutung nicht verliert. Und dabei aber ihre religiöse Motivation deutlich macht und als eine freundliche darstellt, als eine offene. Wenn ihr das weiter gelingt, und mehr denn je gelingt, dann glaube ich, braucht uns nicht bange zu sein, dass wir auch in diese Gesellschaft hinein wirken können. Nicht, als wenn das nicht andere auch täten und mit demselben Wert hinter ihrer Sache wären. - Aber die Motivation (bei gläubigen Christen, Anm. d. Red.) ist vielleicht eine andere, eine Spur andere. Und Menschen bewusst zu machen, aus welcher Motivation heraus ich mein Leben gestalte – das wünsche ich allen Laienbewegungen, der ,Katholischen Aktion‘ im Besonderen, dass das so bleibt und sich noch verstärkt.“

Öffentlich weniger bekannt ist der Einsatz von Eva Petrik für die christlich-jüdische Verständigung. Sie hat auch auf diesem Gebiet Bleibendes geleistet: Sie hat den Weltauftrag der Laien in der Kirche aber immer mit Selbstbewusstsein und zugleich mit tiefer Verbundenheit mit der Kirche, die sie liebte, ausgeübt. Der Wiener Religionspädagoge, Professor Martin Jäckle, der als katholischer Vize-Präsident des Koordinierungsausschusses Nachfolger von Eva Petrik ist, sagt, dass „die Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden ein zutiefst persönliches Anliegen von Petrik war. Es gelang ihr, deutlich zu machen, dass christlich-jüdischer Dialog nicht nur ein Thema der ,Theologinnen und Theologen‘ ist, sondern Konsequenzen auch für die Arbeit in der eigenen Partei, in der eigenen Gemeinschaft, im eigenen Leben hat.“

‘Menschen in der Zeit’ - Eine Sendung von Aldo Parmeggiani

(rv 02.02.2014 ap)







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