Die Lage in der Zentralafrikanischen
Republik ist weiter äußerst angespannt. Das sagte der Erzbischof von Bangui Dieudonné
Nzapalainga jetzt bei einem Besuch in Köln dem Domradio. Allerdings handle es sich
„nicht um Konflikte zwischen Muslimen und Christen“, sondern „um einen militärisch-politischen
Konflikt“.
„Augenblicklich finden Sie in Zentralafrika niemanden, der sich
wegen der Bibel, wegen des Korans, wegen des Kreuzes, wegen der Moschee, wegen einer
Kirche kämpft. Sie bekämpfen sich, weil man ein Mitglied ihrer Familie getötet hat,
sie bekämpfen sich, weil sie alles verloren haben, sie haben Hassgefühle, sie brennen
darauf, ein Mitglied ihrer Familie zu rächen. Das sind nur allzu menschliche Gefühle,
die mit Religion nichts zu tun haben. Sie finden keinen Imam an der Spitze der Seleka-Milizen,
keinen Priester oder Pfarrer an der Spitze der christlichen Anti-Balaka-Milizen!“
In
Wirklichkeit gehe es um einen Machtkampf, so der Erzbischof der Hauptstadt. Zur Warnung
der Vereinten Nationen vor einem drohenden Völkermord meinte er:
„Diese
Furcht ist gerechtfertigt, denn es gibt deutliche Vorzeichen dafür... Ich gebe Ihnen
ein Beispiel von einer Stadt namens Bogongolo: Im Juli habe ich dort Christen und
Muslime erlebt. Zwei Monate später komme ich wieder – und was muss ich feststellen?
Es gibt hier keine Muslime mehr! Ich habe bei den Anti-Balaka nachgefragt: Wo sind
die Muslime hin? Sie antworteten mir: Man hat sie verjagt. Aber sind sie alle geflohen
oder hat man sie umgebracht? Ich habe keine Ahnung. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen:
Achtung, das sind Vorzeichen, und sie wollen alle Muslime töten! Und passt man nicht
auf, dann führt das zu Säuberungen von einzelnen Gruppen, und man wird beschließen,
alle Muslime ohne Unterschied zu töten. Vor zwei Wochen haben wir gerade das Schlimmste
verhindert. Zum Glück hatte der Priester zeitig alle Muslime in die Kirche gebracht.
Sonst hätten die Anti-Balaka sie getötet, nur dank der Mithilfe von Franzosen hat
man sie retten können.“
Nzapalainga ist zusammen mit einem führenden Imam
der Zentralafrikanischen Republik unterwegs in Europa. Ihre gemeinsame Botschaft laute:
Christen und Muslime haben ein gemeinsames Schicksal. Sie seien alle „Söhne und Töchter
der Zentralafrikanischen Republik“ und dürften sich nicht „untereinander zerreißen“.
Aber der Erzbischof macht sich keine Illusionen darüber, dass diese versöhnliche Botschaft
in seinem Land derzeit auf verlorenem Posten steht:
„Gewiss ist der
Hass zu stark. Wenn Sie Mitglieder Ihrer Familie verloren haben, jemanden der Ihnen
teuer ist, haben Sie den Eindruck, dass die Welt zusammengebrochen ist. Das Leben
scheint keinen Sinn mehr zu haben, manchmal sagen Sie sich sogar, dass Gott nicht
existiere. Wir versuchen ihnen diesen Hass zu nehmen.“