Bischof Küng: „Wunsch nach Familie ist bei allen vorhanden“
Österreichs Bischöfe
haben die Antworten ihrer Gläubigen auf die vatikanische Umfrage zu Ehe und Familie
in Rom abgegeben. An diesem Donnerstag, unmittelbar vor der Audienz mit Papst Franziskus
anlässlich ihres Ad Limina-Besuches, überreichten sie nicht weniger als 30.000 Antworten
in Papier- und digitaler Form dem Generalsekretär der Bischofssynode, Erzbischof Lorenzo
Baldisseri. Gudrun Sailer sprach mit dem St. Pöltner Bischof Klaus Küng, der in der
Bischofskonferenz für Ehe und Familie zuständig ist, und wollte zunächst von ihm wissen,
was die Antworten aus Österreich zeigen.
„Einerseits ist es schon beeindruckend,
wie sichtbar wird, dass den Menschen, den Gläubigen, Ehe und Familie ein großes Anliegen
ist. Weiterhin ist es sowohl für Jugendliche, Eltern und eigentlich für alle der Wunschtraum,
eine Familie zu haben, die dauerhaft ist - im Grunde wie es immer war. Dann sieht
man auch, dass beim Scheitern der Familie tiefe Wunden da sind und viele Tragödien.
Das ist im Volk Gottes tief drin. Gleichzeitig muss man sagen, … [aus den Antworten
ergibt sich] ein sehr realistisches Bild, und man sieht, dass die Verkündigung nicht
sehr gut gegangen ist. Sogar bei den heftigen Gegnern mancher Aussagen gegenüber der
Lehre der Kirche habe ich eine ganze Reihe von Fällen gesehen, wo ich sagen muss,
der hat nicht verstanden, was eigentlich die Lehre, die Kirche, sagen will. Das ist
auch eine Erkenntnis. Das war auch eine Klage, dass in den Pfarren ein großer Mangel
besteht. Das hat viele Gründe. Es ist einfach viel schwieriger geworden, eine christliche
Familie zu begründen und das durchzustehen.“
Papst Franziskus hat selbst
gesagt, wer im Themenkomplex Ehe und Familie nur die Frage nach der Kommunion für
wiederverheiratete Geschiedene in den Blick nimmt, riskiert am Wesentlichen vorbeizuschauen.
Was ist das Wesentliche, das bei den nächsten beiden Synoden in diesem und im nächsten
Jahr dringend einer Klärung bedarf?
„Das ist eine Frage, die
in den letzten Jahren schon oft studiert wurde. Ich habe auch ein bisschen Sorge,
dass jeder erwartet, die Kirche werde überhaupt absehen von allen Prinzipien. Das
wird sicher nicht der Fall sein. Es gibt einen Zusammenhang zwischen Ehe und Eucharistie,
der vielen nicht ganz bewusst ist. Das Eheversprechen gibt sich ein Brautpaar im Vertrauen
auf Christus, dass er ihnen beisteht, ihnen hilft, dass er Vergebung gibt. Jede Kommunion,
die ein Ehepaar empfängt, ist eigentlich eine Besiegelung der eigenen Ehe, gleichzeitig
eine Kraftquelle, denn Er begleitet uns in unserem Leben. Wenn das nicht mehr stimmt,
dass man nicht mehr in Übereinstimmung lebt mit Christus, der treu war bis zum Tod
am Kreuz, dann entsteht ein widersprüchliches Geschehen. … Auch hier gibt es Wege
der Buße, die dann manchmal länger dauern, weil die Situation verworren ist. Ob hier
die Synode auch gewisse neue Wege entdeckt, werden wir sehen. Ich würde nur meinen,
man muss davon ausgehen: Was ist die Ehe, was bedeutet das Sakrament der Ehe, wie
ist der Zusammenhang mit Taufe, Firmung und Eucharistie? Auch bei jemandem, bei dem
alles schiefgegangen ist, bestehen Chancen, dass er das Ziel erreicht; auch hier gilt
es wohl vor allem Wege der Hoffnung zu finden, auch die Gesamtfragen aufzurollen.“
Papst Franziskus hat Ihnen, den ostösterreichischen Bischöfen, auch
anvertraut, er habe selber nicht Antworten auf alle Fragen, eben auch in Bezug auf
Ehe- und Familienpastoral, gescheiterte Ehen und wie wir damit umgehen. Aber eines
wisse er ganz genau: die Priester, die Kirche überhaupt, muss an der Seite dieser
Gescheiterten sein. Sind sie das nicht genug?
„Aber es ist
ein Irrtum, wenn man meint, das sei das einzige Thema von Papst Franziskus. Wir haben
darüber auch gesprochen, und ich habe ihm gesagt, ich halte es für eine Eingebung
des Heiligen Geistes – und er hat mir das bestätigt – die Familie ins Zentrum zu stellen.
Das wird, denke ich, in der gesamten Seelsorge eine wichtige Frage werden, dass die
Familie der Weg ist, und darum geht es denke ich vorrangig. Man redet momentan immer
nur von jenen, die scheitern. Das ist natürlich ein Riesenthema, aber es geht vor
allem um Prophylaxe, nicht nur um Therapie. Ich möchte das in keiner Weise relativieren,
wir müssen allen helfen, auch wenn es völlig danebengeht. Das ist ein ganz großes
Anliegen von Papst Franziskus, das ich persönlich hundertprozentig unterschreibe.
Die Kirche ist eine Erlösungsreligion. Und sie hat die Aufgabe, manchmal wie ein Lazarett
zu sein, besonders für jene, die in Not sind, und da gehören auch die zerrütteten
Beziehungen und zerbrochene Familien und ein Neuanfang dazu – alle, die Begleitung
und Hilfe brauchen.“
Die Fragebogen-Aktion aus dem Vatikan ist eine
neue Methode der Erhebung innerhalb der Kirche. Es war keine Erhebung, die von Rom
aus nur an die Bischofskonferenzen und die Bischöfe ging, sondern von da sollte sie
weiter nach unten gehen, zu einer Zusammenarbeit zwischen Hirten und „Schafen“ führen.
Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
„Zum einen muss
ich Sie ein bisschen enttäuschen, es ist nicht das erste Mal, dass man so etwas macht.
An sich hat es immer wieder Befragungen gegeben. Sie wurden oft in anderer Form gemacht.
Diesmal ist es so gelaufen, und es hat Vor- und Nachteile. Natürlich auch Nachteile,
weil das manchmal in eine bestimmte Richtung getrieben wird. Es wurden ja auch die
Fragebögen zum Teil verändert. Gleichzeitig ist das für mich kein Problem, denn ich
persönlich versuche – dazu braucht man auch Spezialisten – jede Fragebogenaktion auszuwerten
und schaue genau hin, wie und wer es gemacht hat. Dann ist eine wichtige Frage für
die Synode, auch eine Hoffnung, dass die positiven Erfahrungen, die es gibt, bekannt
gemacht werden. Viele sind gar nicht bekannt. Dass eine Vernetzung stattfindet, dass
vielleicht auch eine bessere Kommunikation geschieht. Die ist ja wirklich in manchen
Themen nicht gelungen, und man muss sich fragen, was können wir besser machen. Ich
bin zuversichtlich, dass das gut gehen wird.“
Herr Bischof Küng, der
Österreichische Verfassungsgerichtshof hat vor kurzem ein umstrittenes Urteil auf
bioethischem Gebiet gefällt. Österreich muss zukünftig lesbischen Paaren die Samenspende
erlauben. Jetzt geht das Urteil zurück an die Politik, der Gesetzgeber muss diese
Entscheidung in die bestehenden Gesetze einarbeiten. Was würden Sie dem Gesetzgeber
an dieser Stelle raten?
„Es ist nicht meine Aufgabe, den Gesetzgeber
zu beraten. Aber ich muss meiner Sorge Ausdruck verleihen. Damit beziehe ich mich
nicht auf die betroffenen Frauen, sondern auf die betroffenen Kinder. Ein Kind hat
Recht und Anspruch auf Vater und Mutter. Natürlich auch bei einer solchen künstlichen
Befruchtung ist ja letztlich das Kind Frucht von Vater und Mutter – es gibt keinen
anderen Weg, wobei man hier eine große Schwierigkeit sieht, denn das Kind wird ohne
Vater aufwachsen. Und wir wissen das auch von der Adoption, wie schwierig das ist
– oft gut gemeint von allen – doch auf einmal kommt die Frage: Wer ist mein Vater,
wer ist meine Mutter? Natürlich ist jeder vor Gott ein Schatz, aber trotzdem, da sehe
ich ein Problem. Die andere Sorge, die ich habe, ist, dass durch diese Entscheidung
das gesamte Gesetz in Bezug auf künstliche Befruchtung verändert wird oder möglicherweise
beeinflusst wird. Ursprünglich war dieses Gesetz geschaffen für Paare, Mann und Frau,
die ein Problem haben, Kinder zu bekommen. In dem Sinn sehe ich auch gar keine Diskriminierung,
denn es betrifft einen anderen Personenkreis.Ich will sagen, es
wird dadurch Tür und Tor geöffnet für Leihmutterschaft und andere Arten der Fortpflanzung,
in denen das Kind immer mehr zum Produkt wird, und zu etwas, was man sich besorgt.“